Anlieger sehen sich als Opfer des Kommerzes

10.12.2012, 11:00 Uhr
Anlieger sehen sich als Opfer des Kommerzes

© Esterl

Vor dem Balkon von Ursula Pöllmann-Koller rieseln dicke Schneeflocken. Im Schneetreiben zeichnen sich Farbkleckse ab: Knallbunt leuchten die Röhren der Riesenrutsche hindurch. Für Pöllmann-Koller hat die neue Aussicht „etwas Bedrohliches, wie eine Industrieanlage, nur eben direkt an einem Wohngebiet“. Dabei ist für sie und ihre Mitstreiter die Ansicht des Thermalbades noch das geringste Übel.

Seit 1993, als das städtische Bad in den Besitz von Heinz Steinhart überging, verfolgt Pöllmann-Koller mit ihrem Vater Albert Pöllmann aufmerksam alle Phasen des Auf- und Anbaus und ärgert sich. Über zugeparkte Wohnstraßen, in denen für Linienbusse oft kein Durchkommen mehr sei, über das nächtliche Dauerbrummen der Aggregate der Lüftungsanlagen, das der Westwind genauso wie ein „stinkendes Duftkonglomerat aus der Saunalandschaft“ und die dröhnenden Ansagen der Animateure ins angrenzende Wohngebiet trage. Oder über scheibchenweise aufgeweichte Auflagen, etwa in Form im Nachhinein genehmigter Ausreißer bei den Öffnungszeiten, die eine „willfährige Stadtverwaltung abnickt“.

Ihre Interessen, sagen die Anlieger, würden kommerziellen Interessen eines einzelnen Gewerbesteuerzahlers geopfert. „Seit 16 Jahren lässt uns die Stadt an die Wand laufen“, sagt Pöllmann-Koller. Mehr noch: Als „Meckerer und Querulanten vom Weihersberg“ würden sie von Stadträten beschimpft, wie es bei einer Runde von Anliegern mit Kommunalpolitikern und Palm-Beach-Geschäftsführer Andreas Steinhart geschehen sei.

Wobei sich die Nachbarn des Spaßbades, die sich schon vor Jahren in einer Anliegerinitiative formierten, nicht gegen das Palm Beach als Einrichtung wenden — „sondern dagegen, wie man die Dinge umsetzt und darüber informiert, vielmehr nicht informiert“, betont Höllerer. In diesem Punkt zieht Höllerer Parallelen zu anderen, gerade aktuellen Projekten.

Zum Weihersberg etwa: Vor gut einem Jahr hat die Stadt dort 150000 Quadratmeter Fläche erworben, Hotel, Stadthalle, Sportanlagen sind im Gespräch, Details allerdings erfahre die Öffentlichkeit nicht. Auch beim Einkaufszentrum Forum, das am früheren Krügel-Areal in Planung ist und dessen Bebauungsplan noch nie öffentlich auslag, vermissen Höllerer und seine Mitstreiter Transparenz. „Ein seltsames Demokratieverständnis“, kommentieren sie.

Wie derlei beim jüngsten Palm-Beach-Projekt aussah, erläutern sie an Beispielen: Als Affront werten die Anlieger, wie es zu der für die Rutschenanlage erforderlichen Bebauungsplan-Änderung kam. Zwei Anlieger hätten im Rathaus angerufen und die Änderung hinterfragt. Die Auskunft, die sie erhalten hätten: Nachdem die Hochspannungsleitungen zurückgebaut seien, wolle man lediglich einen sauberen Bebauungsplan. Erst nach einigem Nachforschen stellte sich heraus, so Höllerer, dass es defacto um die Erweiterung des Bades um eine riesige Rutsche ging, von der die Anlieger erstmals aus der Zeitung erfuhren.

Schlicht als Trickserei tun die Anlieger ab, inwieweit die Parkplatz-Situation ins Lärmgutachten einfloss. Die zwei am intensivsten von den Badegästen genutzten Parkplätze wurden als öffentliche Parkplätze deklariert. Womit der hier entstehende Verkehrslärm oder der von nächtens lautstark parlierenden Badegästen keine Berücksichtigung fanden.

Eigens fürs Palm Beach ausgewiesene Parkplätze liegen weiter abseits, etwa 200 Meter entfernt. „Nur parkt dort kaum einer“, sagt Höllerer. Die Rutschenanlage selbst reduziert auch den Parkraum auf Steinhartschen Grund um mehr als die Hälfte. Alle Aspekte, die dazu führen, dass die Anlieger – rein rechnerisch— künftig sogar weniger verkehrslärmgeplagt sein sollen als bisher.

Genehmigungsrechtlich maßgeblich für die erforderlichen Parkplätze ist die Anzahl der Kleiderschränke und an der habe sich nichts geändert, argumentiert die Stadtspitze gern, wenn sich die Anlieger beklagen. 1570 Kleiderablagen hat das Palm Beach, für je zehn Spinde muss ein Hallenbad einen Stellplatz nachweisen, ergo braucht das Palm Beach 157. Wie das zusammenpassen soll mit täglich 5000 Besuchern — zeitgleich dürfen sich 2500 Gäste im Bad aufhalten, ist den Anliegern ein Rätsel. Umso ärgerlicher finden sie, „dass einmal mehr die Stadt in die Bresche sprang, damit Steinhart ein Ventil für die Besucherströme hat“, wie Höllerer sagt. Am Festplatz, wo ursprünglich 76 Plätze ausgewiesen waren, ist deren Anzahl zwischenzeitlich mehr als verdoppelt. Für die Anlieger Beleg, dass die Stadt den Kniefall vor dem Investor pflegt und alles tue, „um dem Palm Beach das Dasein möglichst angenehm zu gestalten“.

 

1 Kommentar