App in den Krieg: Wallensteins Lager soll erlebbar werden

14.5.2018, 16:00 Uhr
App in den Krieg: Wallensteins Lager soll erlebbar werden

© Foto: Thomas Scherer

Was Besucher ab 2020 im Landkreis erwarten dürfen, verrät im Interview das dreiköpfige Kuratorenteam: Nicola Kemmer, zuständige Koordinatorin bei der Stadt Stein, Christine Gottschalk, Leiterin des Städtischen Museums Zirndorf, und Thomas Liebert, Kreisheimatpfleger und Archäologe.

Ein Planungsbüro für die ersten Schritte des Projektes wurde bereits beauftragt. Welche Aufgabe übernehmen Sie als Kuratoren?

Nicola Kemmer: Wir recherchieren und liefern dem Planungsbüro wichtige historische Fakten. Wir regen an, wo welche Inhalte am besten gezeigt werden. Welche Orte eignen sich für Mitmachstationen? Wo kommt digitale Technik zum Einsatz, wie bei der App "Hohenzollern-Radweg", die hier ein großes Vorbild für uns ist. Wir denken auch über Hörstationen nach. Das sind nur einige Punkte.

 

"Augmented Reality" ist das Stichwort, das heißt, Besucher können über ihr Handy auf eine App zugreifen und sich von virtuellen Figuren Dinge erzählen lassen. Was ist geplant?

Kemmer: Die Besucher können einen Begleiter wählen. So führt beispielsweise ein Offizier, ein Arzt oder ein Kind durch das Lager und berichtet von den Ereignissen aus seiner Perspektive. Mit dem Tagebuch des Söldners Hagedorf, der zwar nicht hier in Zirndorf bei Wallenstein, aber in anderen Schlachten dabei war, haben wir eine sehr interessante Quelle.

Christine Gottschalk: Die Schlacht an der Alten Veste hat zwar nur drei Tage gedauert, das Lager, eines der Größten in der Militärgeschichte, bestand aber über einen Zeitraum von zwei Monaten. Und natürlich müssen wir darüber hinaus allgemein über den Dreißigjährigen Krieg informieren. Wissenschaftlich fundiert und gut verständlich ausgearbeitet – für Erwachsene und Kinder, Experten und Laien. Wir wollen auch auf Phrasen oder Sprichwörter aufmerksam machen, die von damals herrühren und heute noch verwendet werden. Alter Schwede etwa, von der Pike auf lernen oder sich vom Acker machen.


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Und Sie, Herr Liebert, packen Spaten und Spachtel aus?

Thomas Liebert: Das auf keinen Fall. Ziel des Bayerischen Staates ist es, Bodendenkmäler zu erhalten. Einfach draufloszugraben, das geht also nicht. Nur wenn ohnehin Baumaßnahmen stattfinden, ist eine archäologische Baubegleitung vorgesehen. Eine interessante Frage ist aber sicher, wo sind die Toten geblieben? Bei der Schlacht selbst geht man von knapp 1400 Gefallenen auf beiden Seiten aus. Im Lager selbst sind aber über 10 000 Menschen gestorben, hauptsächlich an Seuchen.

 

Und, wo sind die Toten?

Liebert: Sie wurden sicher an verschiedensten Stellen verscharrt: in Mulden und Senken, etwa in den Gräben vor den Schanzen. Die Seuchentoten liegen auf jeden Fall außerhalb des Lagers. Im fränkischen Sandboden vergehen Skelette schneller als im Lehm. Insgesamt sind die Voraussetzungen nicht so wie in Lützen, wo sich das ganze Schlachtfeld planmäßig archäologisch untersuchen ließ.

 

Welche Fundstücke sind im Museum zu sehen?

Gottschalk: Unter anderem kleine Musketen- und Kanonenkugeln. Man darf aber nicht vergessen, dass die Schlachtfelder regelrecht geplündert wurden: Waffen, Kleidung, das holten sich die überlebenden Soldaten, um es bei den Händlern zu Geld zu machen. Auch die Musketenkugeln wurden aufgesammelt, um sie wieder zu verwenden. Nach der Auflösung des Lagers Ende September 1632 holte sich die überlebende Bevölkerung alles, was die Truppen zurückgelassen hatten.

 

65 Prozent der Menschen, die im Einzugsbereich des Lagers und des Schlachtgeschehens lebten, wurden ausgelöscht. Es gibt Stimmen aus der Politik, die dem Projekt deshalb kritisch gegenüberstehen.

Liebert: Wir wollen hier nichts glorifizieren, sondern die Fakten für sich sprechen lassen, aber das wird eine Gratwanderung, da wir andererseits vermeiden wollen, dass die Leute vor lauter Betroffenheit nicht mehr wiederkommen.

Gottschalk: Es war der erste große Krieg, in dem Schusswaffen verwendet wurden. Grausamkeiten waren in dieser Zeit leider an der Tagesordnung. Dabei ging nicht nur um die Vorherrschaft der katholischen oder protestantischen Konfession, sondern vor allem um machtpolitische Interessen. So gab es zwischen 1618 und 1648 mindestens 13 Einzelkriege und zehn Friedensschlüsse. Eine frühere Beendigung wäre also möglich gewesen.

 

Welche Themen wird es für die Wege der einzelnen Städte geben?

Kemmer: Der Erlebnisweg wird in drei Themenwege mit jeweils einem eigenen Schwerpunkt unterteilt. Rund um Zirndorf könnte es das Thema Schlachtstrategie werden. Auf Steiner Gebiet stand möglicherweise Wallensteins Haus, und auch Offiziere und Infanterie waren hier untergebracht, das Thema Ordnung im Lager bietet sich deshalb als Schwerpunkt an. In Oberasbach könnten wir gut die Aspekte Spital, medizinische Versorgung, Hygiene darstellen.

 

Wie wird der bestehende Wallenstein-Rundweg integriert?

Kemmer: Wir müssen sehen, inwieweit wir die Route aufnehmen können. Sicher ist, dass es eine neue, einheitliche Beschilderung geben wird.

 

Und wann ist es mit dem Erlebnisweg Wallensteins Lager so weit?

Kemmer: Bis Mitte Juli erarbeitet das Planungsbüro ein Grundkonzept. Darüber entscheiden dann die Stadträte der beteiligten Kommunen, dann geht es an die weitere Ausarbeitung. Die Eröffnung ist für Frühjahr 2020 geplant.

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