Bälle filzen mit dem Hannes
01.04.2010, 00:00 Uhr
Modische Jeans, das Hemd flattert aus der Hose. »Hallo, ich bin Hannes Offenhäußer, ich bin der Leiter hier.» Der junge Mann mit dem fröhlichen Lachen würde wohl problemlos auch als Praktikant durchgehen. Ursprünglich war der 22-Jährige das sogar. Hier, im Zirndorfer Awo-Kinderhort, hat er sein Berufspraktikum absolviert.
Kaum war er frischgebackener Erzieher, ereilte ihn der Ruf der Awo-Geschäftsführung: Ende vergangenen Jahres wechselte das gesamte Team der Einrichtung in andere Kindergärten. Nur Offenhäußer war übrig geblieben. »Nachdem ich den Hort sehr gut kannte, fragte man mich, ob ich mir die Leitung zutrauen würde», erinnert er sich.
Sensationelle Männerquote
Ein paar Tage Bedenkzeit bat er sich aus. Doch dann sagte er ja, und freute sich auf die Aufgabe als Leiter der neuen »Mann»schaft. Denn: Neben Hannes Offenhäußer arbeiten noch zwei weitere männliche Kollegen in dem sechsköpfigen Team. Damit erreicht die Kindertageseinrichtung eine geradezu sensationelle Männerquote.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden arbeiten derzeit bundesweit nur rund 11 500 Männer als Kindergärtner. Ihnen gegenüber stehen rund 354 000 Erzieherinnen. Hannes Offenhäußer ist der einzige männliche Leiter einer Kindertageseinrichtung im Landkreis und bayernweit dürfte er sogar der jüngste obendrein sein.
»Während meiner Ausbildung war ich überwiegend in Klassen mit Frauen», erinnert sich Offenhäußer. Und auch bei den überörtlichen Awo-Konferenzen für Kindertageseinrichtungen ist er meist noch immer der einzige Mann.
Erzieher zu werden, war ihm quasi in die Wiege gelegt worden. Die Mutter ist Pädagogin, der Vater in der Jugendarbeit tätig. Der Bruder will Lehrer werden, die Schwester ebenfalls Erzieherin. »Wenn man in so einer Familie aufwächst, hat man einfach einen guten Draht zu Kindern und Jugendlichen. Und mir macht diese Arbeit wirklich von ganzem Herzen Spaß», sagt der junge Mann, der viel Verantwortung trägt.
Es ist kurz nach 14.30 Uhr. Um diese Zeit herrscht im Hort der Awo Hochbetrieb. Knapp 60 Kinder müssen beaufsichtigt werden. Das Konzept ist modern: Die Kinderbetreuung findet ohne feste Gruppenräume statt. Jedes Kind kann frei entscheiden, was es machen will. In regelmäßigen Kinderkonferenzen dürfen die Kinder mitbestimmen, wie der Tagesablauf sein soll.
Ein Konzept, das vom Personal samt Chef ein Höchstmaß an Konzentration erfordert. »Man muss immer voll da sein, denn irgendwer will immer etwas wissen. Es gibt laufend etwas zu entscheiden. Das war für mich anfangs die größte Umstellung», sagt Hannes Offenhäußer.
Von 9 bis 12 Uhr erledigt er die anfallende Büroarbeit. Ob Qualitäts-Management, Buchhaltung oder Teamsitzungen - für alles ist der junge Mann verantwortlich. Nachmittags ist er dann als Erzieher gefordert.
Heute lautet das Programm: »Wir filzen Bälle mit Hannes». Das Angebot ist so gefragt, dass gar nicht alle Kinder mitmachen können. Die Projekte mit dem 22-Jährigen sind immer der Renner im Hort.
Vorbehalte gab es von Anfang an keine. Die Eltern waren sogar begeistert. Wie Kathrin Stadler, deren beide Töchter den Hort besuchen. »Ich finde einen männlichen Leiter prima und bin total begeistert, welche Spielideen der Hannes immer hat», schwärmt die Mutter. Wie die meisten Eltern ist auch sie mit Hannes Offenhäußer per Du. Die Hierarchien sind niedrig, der Umgang locker.
Das gefällt auch den Kolleginnen: »Unter lauter Frauen kommt es schon mal schneller zu Streitigkeiten. Aber hier ist das anders. Der Hannes hat sein Team gut im Griff. Ich bin echt froh, dass wir einen männlichen Leiter haben», sagt die Erzieherin Nicole Jäckel (26). Sie nennt noch mehr Vorteile: Die veränderte Familiensituation mit vielen alleinerziehenden Müttern mache männliche Betreuer immer wichtiger. Keinen Papa zu Hause, keine Männer im Kindergarten - da ist der Hausmeister in der Grundschule oftmals der erste Mann, den manche Kinder kennenlernen.
Studium geplant
Woher der Männermangel in Kindertageseinrichtungen kommt? Hannes Offenhäußer glaubt, es liegt an den oftmals geringen Laufbahn- und Einkommensmöglichkeiten. So plant auch er, weiter an seiner Karriere zu feilen. Im nächsten Jahr will er neben seiner Arbeit im Hort ein Studium im Bereich »Sozialwirtschaft» beginnen. Die Studienplätze für diesen Zweig sind noch rar. Offenhäußer kann sich vorstellen, eines Tages eine übergeordnete Leitungsfunktion im Erziehungssektor zu übernehmen. Auch dann wäre er mit Sicherheit wieder eine echte Sensation.