Bäume oder Autos: Wer hat in Fürth Vorrang?
12.8.2019, 11:00 UhrDen Klimanotstand wollte er nicht ausrufen, aber ein Bündel an Maßnahmen für den Klimaschutz hat der Fürther Stadtrat kürzlich beschlossen. Darunter ist dieses Versprechen: 5000 Bäume und Sträucher werde man jedes Jahr pflanzen.
"Das begrüßen wir natürlich", sagt Reinhard Scheuerlein, Vorsitzender des Bundes Naturschutz (BN) in Fürth. Doch er warnt: Das Augenmerk dürfe nicht nur den Neupflanzungen gelten – mindestens genauso wichtig sei es, vorhandene große Bäume zu erhalten. Und da gebe es erhebliche Defizite.
Besonders gut zu sehen sei das in der Kaiserstraße, die die längste Baumreihe der Südstadt ziert: Seit mehr als 70 Jahren säumen 80 Platanen eine Seite der Straße. Unter den Baumkronen aber glänzt das Blech. Dicht an dicht stehen die Autos in den schrägen Parkbuchten.
Der Parkdruck hat den Bäumen in den vergangenen Jahren arg zugesetzt. Tag für Tag fuhren Autos über die Wurzeln, die teils aus der Schotterdecke herausragen. Auch nah am Stamm war das Abstellen bisher möglich. "Die Wurzeln werden dadurch verletzt", sagt Scheuerlein und zeigt beim Pressetermin vor Ort, zu dem der BN zusammen mit der Fürther Ortsgruppe des VCD (Verkehrsclub Deutschland) geladen hat, Stellen, an denen Wurzeln aufgerissen sind. "Das ist eine Pforte, durch die Krankheitserreger und Pilze durchkommen können."
In einem großen Teil der Straße gibt es weder Baumscheiben noch Grünbereiche um die Stämme herum, nur Schotter. Er soll Regen und Sauerstoff in den Boden lassen.
Dass die Bäume leiden, hat auch die Stadt erkannt. Sie saniert zurzeit die Parkflächen unter den Platanen. Sie denkt dabei allerdings auch an die Autofahrer. Denn immer wieder war es beim Befahren zu Beschädigungen an den Fahrzeugen gekommen, weil die Wurzeln die Bordsteine mit den Jahren angehoben hatten. Auch um ihre Verkehrssicherungspflicht zu erfüllen, ließ die Stadt die Randsteine entfernen und die Stellflächen zur Straße hin abschrägen. Sie beschloss in diesem Zuge auch, die Bäume mehr zu schonen: Autos müssen künftig einen größeren Abstand halten. Absperrpfosten und -ketten werden dafür vor den Gehölzen installiert. Schmale Blechstreifen sollen die Wurzeln schützen, die nach der Entfernung der Steine frei lagen.
"Murks" nennt Scheuerlein das Ergebnis, ein reines "Provisorium". Die Absperrung sei optisch nicht ansprechend, der Schotter nicht nur hässlich, er lasse auch Regen nicht optimal durch – und das in einer Zeit, in der schon viele Bäume wegen der Trockenheit abgestorben sind.
Weil es Jahrzehnte dauert, bis sie so stattlich aussehen, weil sie in den sich aufheizenden Straßen Schatten und Abkühlung bieten, und weil sich Orte für Neupflanzungen im Stadtgebiet nicht leicht finden lassen, müsse das Rathaus die Bedingungen für alte Stadtbäume "durchgreifend verbessern", fordern BN und VCD. Nicht nur in der Kaiserstraße. Das Versprechen, 5000 Bäume zu pflanzen, sei zwar schön, so Scheuerlein. Aber das Grün sei dort nötig, "wo es grau ist" – und nicht am grünen Stadtrand.
Gerade in der Kaiserstraße mit ihren herrlichen Platanen brauche es eine Lösung, die "Hand und Fuß hat". BN und VCD fordern ein Umdenken von der Stadt: Es biete sich die Chance, das Wohnumfeld neu zu gestalten, ein Konzept zu entwickeln. Die Straße sei bisher "für die Bedürfnisse der Autofahrer optimiert", sagt Christoph Wallnöfer vom VCD. Was aber ist mit Anwohnern? Mit Radfahrern?
Mit Bänken und Trinkbrunnen könnten Verweilorte geschaffen werden, damit sich die Menschen wieder mehr auf der Straße treffen. "Südländisches Flair" wünsche er sich. Und eine Öffnung der Einbahnstraßenregelung für Radfahrer.
Wallnöfer zeigt auf die Parallelstraße, die Erhard-Segitz-Straße. Dort habe jeder Baum einen eingefassten Grünbereich. So etwas hätte er gerne auch in der Kaiserstraße – und dafür weniger Stellplätze. Zumal es hier, wo der Hauptbahnhof nah ist und die Busanbindung gut, nicht so schwer sei, aufs Auto zu verzichten.
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