Bei Bruder lenkt ein Überzeugungstäter die Geschäfte
2.2.2012, 13:00 UhrGanz ohne Spieltrieb geht es nicht — oder zumindest nicht so gut, sagt Paul Heinz Bruder. Allerdings — wie ein großer Junge sieht der 52-jährige Maschinenbauingenieur, der Bruder Spielwaren in dritter Generation führt, nicht aus. Schwarzes Sakko, gepunktete Krawatte, grau-gescheiteltes Haar, sachliches Auftreten. Doch wenn er in dem lichtgefluteten Raum, in dem der Burgfarrnbacher Traditionsbetrieb einen Querschnitt des Sortiments präsentiert, mit der Schaufel eines kleinen Baggers über das Regal kratzt, die Sirene des neuen Feuerwehrautos mal im Martinshorn-, mal im US-Sound per Knopfdruck aufheulen lässt oder eine handgroße Reiterin mit beweglichen Gelenken auf Pferdchen Madonna setzt, blitzt es auch in seinen Augen.
Seinen Ursprung verdankt das Unternehmen jedoch nicht nur der Leidenschaft, sondern zunächst der blanken Existenzangst. Paul Bruder, der Großvater des heutigen Geschäftsführers, wollte sich nicht der Arbeitslosigkeit ergeben und beschloss 1926 mit nichts als einer Presse und einer Idee, sein Glück in die eigenen Hände zu nehmen. Über Jahre fertigte er Messingpfeifen, die er zum Beispiel an örtliche Spielzeugtrompetenhersteller lieferte. Sohn Heinz setzte nach seiner Lehre als Werkzeugmacher neue Akzente. Er kaufte eine Handspritzgussmaschine, 1958 stellte er den Betrieb auf Kunststofffertigung um. Vom Lieferanten trat Bruder so den Weg zum Spielzeugproduzenten an.
Der heutige Geschäftsführer erinnert sich gern an die Zeit, in der Pioniergeist den Betrieb erfüllte. Für ihn sei es als kleiner Bub selbstverständlich gewesen, dass neue kleine Autos, Tröten oder Mini-Mundharmonikas zum Spielen herumlagen. Zu seinem Alltag gehörte sogar der Haribo-Lkw, der regelmäßig durchs Tor bog, um Plastikspielzeug, wie Schiffschaukeln, Flugzeuge oder Nuckelfläschchen, zu holen, in denen der Süßwarenproduzent Zuckerperlen und andere Leckereien verkaufte. Das fand der junge Paul Heinz freilich besonders fabelhaft, da immer wieder auch Zuckerl für ihn abfielen.
Schon als er 1987 in den Betrieb einstieg, gehörten Süßwarenhersteller nicht mehr zur Kundschaft. Vielmehr schieben heute Kinder in 70 Ländern mit Schneeräumautos made in Franken Krümel auf dem Küchenboden zusammen oder hieven per Kran Plastikstämmchen in den Sandkasten. 66 Prozent seiner Waren exportiert Bruder, mit 51 Mio. € blieb der Umsatz 2011 stabil, 15 Mio. € wurden in den Bau eines Logistikzentrums investiert. In einer immer heilen Spielzeugwelt leben Bruder und die mittlerweile 341 Mitarbeiter dennoch nicht. Mitunter haben die Kunststoff-Nachbildungen im Maßstab 1:16, auf die sich der Betrieb über die Jahre spezialisiert hat, dem Unternehmen schon herbe Kritik eingebracht. Als es etwa einen Tiertransporter ins Sortiment aufnahm, schrien Tierschützer auf. Der Chef nimmt es gelassen. „Unser Ziel ist, die Kinder mit der Realität zu konfrontieren. Die ist nicht immer schön, aber so setzen sie sich zumindest damit auseinander. Und ziehen im besten Fall ihre Schlüsse daraus.“
Trotz der Unwägbarkeiten am Wegesrand liebt der Enkel des Firmengründers die Branche, in der er tätig ist. Denn die Begeisterungsfähigkeit, die nahezu jeden antreibe, schlage sich auch im Miteinander nieder. So kann Bruder durchaus anerkennend nicken, wenn ein Konkurrent etwas Schönes auf den Markt bringt. Verbissener, so sagt er, gehe es da mitunter in anderen Branchen zu. Durch die Spezialisierung seines Unternehmens sitzt er oft mit Vertretern der Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie am Tisch. Und obwohl nach Bruders Ansicht bei diesem Geschäft durchaus alle profitieren könnten, gestalten sich die Verhandlungen manchmal schwierig.
Ellenbogenmentalität nimmt zu
„Wenn wir den Namen etwa von MAN, Land Rover oder John Deere verwenden und deren Produkte nachbauen, gewinnen im Idealfall alle. Wir, weil die Marke den Verkauf fördert, und die Firmen, weil die Nachbauten ihnen als Werbefläche dienen.“ Viele wüssten das zu schätzen und ordern die kleinen Pendants bisweilen sogar als Werbegeschenke für Geschäftspartner. Immer öfter säßen am anderen Ende des Tisches jedoch junge Manager, die sich hochstudiert haben, hervorragend Bilanzen lesen und ihre Ellenbogen einsetzen können. Die würden dann mitunter unverschämte Preise für Lizenzen verlangen, wie verlässlich ein Partner ist, sei da sekundär. Kurzsichtig sei das, sagt Bruder, schließlich sei es auch für deren Marke schlecht, wenn die Miniaturform des eigenen Autos schon den ersten Crash im Sandkasten nicht übersteht. Ganz anders sei das mit Chefs, die sich von der Pieke auf hochgearbeitet haben, findet der Spielwarenhersteller. Die wüssten Qualität und langjährige Partnerschaft zu schätzen. Das zu berücksichtigen hat sich Bruder selbst auf die Fahnen geschrieben.
Wie es mit dem Unternehmen weitergehen soll? Paul Heinz Bruder überlegt kurz. Weiter am Standort festhalten wolle er, weiter so wenig wie möglich importieren. Und ja, den Betrieb irgendwann an den Sohn zu übergeben wäre auch schön. Aber nur, wenn dem das Geschäft mit der Spielewelt Freude macht. Denn das ist die Basis für den Erfolg.
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