Besuch in Griechenland: "Ich hätte mehr Bitterkeit erwartet"
7.6.2015, 16:00 UhrDie Armut verschärft sich in Griechenland. Die Einschnitte treffen die Ärmsten, und sie durchlöchern das Gesundheitssystem: Viele Griechen können sich keine Krankenversicherung leisten. Sind sie krank, hoffen sie darauf, von Ärzten behandelt zu werden, die nach Feierabend ohne Lohn tätig sind. Mit Medikamenten, die andere übrig haben und spenden. Wissenschaftler beobachten die Folgen mit Sorge: Die Kindersterblichkeit steigt ebenso wie die HIV-Infektionen und das Risiko für Depressionen.
Das sind die Nachrichten, die man aus Griechenland liest und die gemeinsam mit den Bildern von Premierminister Alexis Tsipras und Finanzminister Yanis Varoufakis, mit den Schlagzeilen zum Grexit und den Forderungen der EU ein neues Bild des Landes formen. „Man fliegt mit der Erwartung hin, viel Not und Elend zu treffen“, sagt Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung.
Der dreitägige Besuch, beim dem er Xylokastros neuen Bürgermeister kennenlernen wollte, habe jedoch ein anderes Griechenland gezeigt. In der Kleinstadt Xylokastro „sind die Verhältnisse noch sehr stabil“, schlussfolgert Jung. Die Krise sei dort jedenfalls nicht sofort zu merken: Bettler oder Flaschensammler habe er nicht gesehen, sagt Jung. Aufgefallen seien ihm allenfalls einige leer stehende Läden. Und Laden-Preise, die selbst für griechische Produkte wie Olivenöl „höher als bei uns sind“. Hilde Langfeld erinnert sich nur an ein Indiz: „Die Lokale waren weniger dicht gefüllt.“
Jungs Eindruck: „Wer selbstständig ist, einen Laden, ein Haus und einen Garten hat, kommt leichter zurecht. Schwer ist es für abhängig Beschäftigte und Rentenempfänger, vor allem natürlich in den großstädtischen Ballungsräumen.“ In Athen, das ahnt der OB freilich, hätte er andere Szenen gesehen als im 130 Kilometer entfernten Xylokastro.
Anlass seiner Reise war der Wechsel im Bürgermeisteramt vor einem Dreivierteljahr. Herzlich seien die Fürther Gäste, zu denen auch drei Stadträte zählten, empfangen worden, die Stimmung sei nicht gedrückt gewesen. Sehr gut seien die Gespräche mit dem Bürgermeister, den Stadträten und den örtlichen Parlamentsabgeordneten gewesen. Dabei habe ihn beeindruckt, dass keinerlei Feindseligkeiten zwischen konservativen Politikern und den Anhängern der Tsipras-Partei zu spüren waren. „Man liebt sich nicht, aber man achtet sich.“
Auch Deutschland sei – durchaus zu seiner Überraschung – „von keiner Seite irgendwelche Feindseligkeit“ entgegengebracht worden. „Ich hatte mehr Bitterkeit erwartet, mehr Not, mehr depressive Stimmung. Das war alles nicht der Fall.“ Nicht erwartet hatte er hingegen die Sicherheit, mit der die Griechen, denen er begegnete, mit dem Euro-Verbleib rechneten: „Es hatte keiner Zweifel daran, man fühlt sich so fest verankert.“
Bemerkt hat Jung auch, dass „die Notwendigkeit, dass man Steuern zahlt, noch nicht in den Köpfen ist. Selbst die Politiker haben es in den Bereich der Legenden verwiesen, dass es so kommen könnte. Man gibt dem Staat nicht gerne was.“
Als gravierendstes Problem machten die Griechen aktuell den Flüchtlingsstrom aus: Neben Italien ist Griechenland das Land in der EU, das den stärksten Zustrom bewältigen muss. Die UN haben bereits Alarm geschlagen, das Land sei überfordert. „Sie fühlen sich allein gelassen und haben massiv und deutlich Hilfe eingefordert“, sagt Jung.
In anderer Sache will die Stadt Fürth ihnen zur Seite stehen: Der Wunsch, mehr deutsche Touristen anzuziehen, sei sehr groß, stellte Hilde Langfeld fest. Sie sicherte zu, dass aus Fürth Hilfe beim Übersetzen von Broschüren und beim Aufbau einer deutschsprachigen Webseite kommt. Auch wolle man die Griechen beraten, wie sie ihre Produkte, etwa Olivenöl, auf den deutschen Markt (und auch in Fürther Geschäfte) bringen und mit einem Bio-Siegel der EU ausstatten lassen können. Da bestehe noch Nachholbedarf. Gerade in der Krise seien alle diese Schritte wichtig.
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