"Brandner Kaspar": Wie eine zweite Haut

30.5.2012, 09:00 Uhr

© Hans Esterl

Mit dem „Brandner Kaspar“ feiert ein neuer Spielplatz Premiere. Wobei – neu ist im Kulturhof wenig. Altgedient ist das längliche Geviert aus Schuppen, Scheunen und verwitterten Hausmauern. Viel Energie, Zeit und Ideen wurden investiert, um hier Raum für Theater zu schaffen. Belohnt wird das jetzt mit einer unnachahmlichen Atmosphäre. Stück, Bühne und Ort sind so eng miteinander verwoben, dass eine Zuschauerin vor Beginn mit der größten Selbstverständlichkeit eine Kulissentür öffnet, um ins vermeintliche „Gasthaus“ einzutreten. Ein Irrtum, den sie erst bemerkt, als sie hinter der Bühne steht...

Kein Wunder also, dass der „Brandner Kaspar“ sich hier wohlfühlt. Das Stück beruht auf einer Novelle von Franz von Kobell, die Kurt Wilhelm dramatisierte. Gabriele Küffner übertrug die Komödie ins Fränkische und führte Regie. Herausgekommen ist eine Inszenierung, die dieser hervorragenden Laienspielgruppe passt wie eine zweite Haut.  

Großes Engagement

Das liegt unter anderem daran, dass mit großem Engagement und Enthusiasmus gearbeitet wird. Klug setzt Küffner die Stärken der Hans-Sachs-Truppe ein, der Lohn dafür ist ein authentisches Spiel und ungezwungene Selbstverständlichkeit bei allen Akteuren. Das größte Plus trägt zwei Namen: Horst Mayer und Klaus Roscher. Die beiden sind als Kaspar Brandner und als Baalasgromer nicht weniger als eine Traumbesetzung.

Mayer spielt einen Mann, der am Leben hängt. Nicht unbedingt, weil es ihm so viel Spaß macht. Aber er trägt Verantwortung, will für die sorgen, die auf ihn bauen. Dem versierten und erfahrenen Laiendarsteller glückt diese Figur auf eine liebenswert zurückhaltende Art. Er gibt nicht den renitenten Bauernschlaumeier, sondern einen Zweifler, der eine erstaunliche Erfahrung machen darf.

Schlicht eine Schau ist der Baalasgromer von Klaus Roscher. Er spielt den Tod und, mein Gott, das macht er gut. Zum Fürchten ist da gar nichts. Fast muss man mit dem Kerl Mitleid haben.

Ein zappelnder, hingebungsvoll kieksender, unsicherer Geselle ist er, der weiß, dass er niemandem recht kommt („Aff der Erdn bin iech dodool unbeliebt. Glaam Sie, dass die mied geh wollerd’n? Ned ums Verreggng!“). Wie Roscher diesen Antihelden zwischen Slapstick und Verzweiflung schwanken lässt, das hat Klasse.

Das Bühnenbild von Johanna Deffner nimmt sich bloß auf den ersten Blick aus, als sei es Teil der Kulturhof-Szenerie. In Wahrheit ist es raffiniert in jedem Detail. Dabei genügt einfaches Schieben und Klappen, um des Brandners gute Stube in den Wirtsgarten zu verwandeln oder einen Blick in den Himmel zu eröffnen. Dort droben geht’s erst recht lustig zu. Bavaria und Franconia bewachen zwar den Eingang zum Paradies, aber glücklicherweise schaut der eine oder andere Säulenheilige vorbei. Zufällig sind das alles wackere Franken wie Max Grundig oder Grete Schickedanz, die auch im Himmel den hinreißenden Polyester-Plissee-Schick der 70er trägt.

Bevor der Blick in die himmlischen Gefilde wieder versperrt wird, gelingt der Inszenierung noch ein besonderes Kunststück: Das Ende dieses fabelhaft naiven Märchens umschifft weise die Gefahr, zuckersüßen Kitsch zu offerieren. Stattdessen ist der Schluss berührend, weil er es bei einem großen Staunen belässt. In einer sternklaren Nacht im Kulturhof hat das etwas sehr Tröstliches.

www.hans-sachs-spiele.de

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