Der Geruch von Nussöl, Meersalz und Pommes im Fürther Stadtpark

21.7.2015, 11:00 Uhr
Der Geruch von Nussöl, Meersalz und Pommes im Fürther Stadtpark

© Foto: Walter Grzesiek

Man könnte fast glauben, Christiane Neudecker, die Ex-Nürnbergerin, hätte ihre Novelle eigens für die Fürther Stadtparklesungen geschrieben. Denn wenn Ich-Erzählerin Panda, 15, mit ihrer gleichaltrigen Freundin Lotte die Schwärme von Strandläufern über der Nordsee-Insel (sei es nun Sylt oder nicht) zählen soll, assistiert im Röhricht des Stadtparkweihers eine Amsel mit ihrem Abendgesang. Und wenn im Roman zur Geisterstunde ein alter Vogelkundler den Mädchen Seemannsgarn von der im Meer verschwundenen Geisterstadt Rungholt knüpft, schlägt auch die nahe Kirchturmuhr von Unserer Lieben Frau geheimnisvoll – wenn auch erst neun Mal.

Neudeckers Erzählung zeigt die alte BRD im Sommer 1989: Zwei Schülerinnen wollen mit einem Praktikum auf einer Vogelschutzinsel die Welt verbessern, machen sich Gedanken über die seit Tschernobyl verstrahlte Natur und werden durch diese erste große Reise ohne Eltern ein Stück erwachsen. In einer sehr anschaulichen, exakten, aber auch bildhaften Sprache schildert die heute in Berlin lebende Schriftstellerin und Regisseurin Menschen und Momente. Der Abschied der offensichtlich von anderen Sorgen geplagten Mutter: „Das Lächeln, um das sie sich so bemühte, glitt aus ihrem erschöpften Gesicht.“ Der sommerliche Geruch am Badestrand: „Es roch nach Nussöl, Meersalz, Pommes und angebratenen Apfelschnitzen aus Tupperdosen.“

Ihre beiden Protagonistinnen schildert Neudecker stets liebevoll, aber mit einem sanft ironischen Ton. Man trägt als 15-Jährige im Hochsommer schwere Doc-Martens-Stiefel, weiß schon, wie die Norddeutschen ticken, die nie „Grüß Gott“ sagen, und sorgt sich um die ersten Haare in der Bikini-Zone. Das erste Bier ist einfach nur bitter und die pädagogische Arbeit als Vogelführerin für Kindergruppen viel anstrengender als gedacht. Weil all dies leichtfüßig zurückführt in die Zeit kurz vor der Öffnung des Ostens mit all ihren globalen neuen Entwicklungen, erkennen sich in dieser Geschichte wohl viele Leser gern wieder.

Hinzu kam bei dieser vollendeten Abendstimmung (der Regen ging anderswo nieder) eine Autorin, die ihren Text ideal interpretieren kann, die Nuancen der eigenen Formulierungen verdeutlicht, mit ihrer Stimme spielt und einen gern mitnimmt auf eine Reise in den Sommer und die Kindheit. Kein Generator, keine jugendlichen Radler und kein Hundegebell konnten da die Konzentration trüben.

Die dritte von vier Parklesungen 2015 gibt es heute mit „Tatort“- Schauspieler Hartmut Volle („Petticoat & Schickedance“). Treff ist um 19.45 Uhr am Fontänenbrunnen, bei Regen geht es unter das Dach des Cafés.

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