Der Golem außer Rand und Band

17.03.2012, 14:00 Uhr
Der Golem außer Rand und Band

© Hans-Joachim Winckler

Die Jungs von KlezmaFour sind absolut heiß darauf, zu spielen. Mit ihrer Version von Klezmer bringen sie den ausverkauften Großen Saal mühelos zum Kochen. Ihre wichtigsten Zutaten sind traumwandlerische Sicherheit im Spiel und eine Energie, die kaum zu überbieten ist.

Allen voran Andrzej Czaplinski, dessen Konterfei auf dem Festivalplakat bereits erahnen ließ, wie man ganz in seiner Musik aufgehen kann. Schon nach den ersten paar wilden Takten franst der Bogen seiner Violine aus. Aber er verlangt nicht nur seinem Instrument einiges ab, er hottet über die Bühne, geht in die Knie und dreht sich wie ein Derwisch.

Schweißtreibend auch die Gangart seines Bruders Wojciech an der Klarinette. Er bläst beinahe bis zum Umfallen. Die Beats von Schlagzeuger Tomasz Waldowski pulsieren und treiben die beiden immer weiter an. Wenn dann noch Rafal Grzaka mit seinem Akkordeon und Gabriel Tomczuk am Kontrabass dazukommen, verschmilzt mehr als einmal ihre Musik zu einem einzigen, energiegeladenen Klang. Besonders in dem Stück „Golem Fury“ funktioniert das fantastisch.

Damit keine Zweifel aufkommen, welche Musik diese jungen Wilden machen, stellt Wojciech Czaplinski gleich am Anfang klar: „Wir spielen Rockmusik.“ Unter einer geballten Ladung Balkan, gemixt mit Jazz, Reggae und was ihnen sonst noch in die Finger kommt, schimmern allenfalls jene Musiktraditionen auf, die die Basis für diese heiße Mischung bilden. Bestes Beispiel ist das Stück „Glesele Yash“, ein Traditional, das alle Teilnehmer des Amsterdamer Contests zu interpretieren hatten. Mitten im Stück, das so gar nichts mehr mit dem ursprünglichen zu tun hatte, spielten die fünf die Phrase der Vorlage. Im Gegensatz zu dem irrwitzigen Tempo der Band erschien es fast wie in Zeitlupe.

Hieß es im ersten Set noch „Let’s go“, steigerte sich die Extase von KlezmaFour im zweiten Teil zu „Let’s storm“. Mit dem Stück „The Storm“ peitschte die Band mit der Sogkraft eines Tornados durch die Halle — das Publikum wurde mitgerissen, zum Schluss gar bis auf die Bühne. Ausgelassener konnte auch eine jüdische Hochzeit kaum gefeiert worden sein.

Nach diesem wilden Parforceritt gab das Trio Klezele aus Paris Gelegenheit zum Durchschnaufen. Die hielt allerdings nicht allzu lange an, denn Julien Petit (Sopransaxofon), Yannick Lopes (Akkordeon) und Rémy Yulzari (Kontrabass) drehten im Lauf ihres Konzerts immer weiter auf. Stück für Stück erspielte sich eine ansteckende Fröhlichkeit die Oberhand über Melancholie. Der helle und klare Klang des Sopransaxofons gab da auf jeden Fall mit den Ausschlag. Und viele Gäste folgten ganz sicher dem Rat des Bassisten, wenigstens innerlich mitzutanzen.

Die drei Musiker beherrschen mühelos den Wechsel zwischen Klassik und Volkstradition. Einflüsse von Walzer, Tango, orientalischen Melodien verschmelzen bei ihnen zu fantasievollen Melangen. Nicht selten setzt sich bei diesen Klängen das Kopfkino in Gang. Rhythmisches Beklopfen des Kontrabasses in Kombination mit minimalistischem Akkordeonspiel ließ an eine Karawane denken. Mit ausschweifenden Improvisationen erzählte das Trio Klezele Geschichten. Das Saxofon führte die Zuhörer durch staubige Landschaften, die Hirten und Nomaden bevölkern.

Keine Frage, dass das Publikum nach einer Zugabe verlangte. Die wäre allerdings beinahe gescheitert, denn das Trio hatte sich nach dem Abgang von der Bühne ausgesperrt. Erst nachdem die drei gegen die Bühnentür trommelten und ein Mitarbeiter des Kulturforums sie wieder hereinließ, gab es eine ausgelassene Fortsetzung.

Mit dem Auftritt der amerikanisch-kanadischen Band Abraham Inc. am Sonntag um 19.30 Uhr im Stadttheater geht das 13. Internationale Klezmer Festival zu Ende. Einige Wochenend-Konzerte sind bereits ausverkauft, für Abrahm Inc. gibt es jedoch noch Tickets — ebenso für Ramzailech aus Israel, die heute um 22 Uhr im Kulturforum (Würzburger Straße 2) aufspielen. Frei ist der Eintritt für jene sechs Bands, die sich im Rahmen des Lokalpodiums heute ab 19 Uhr in Kneipen der Gustavstraße breit machen, sowie für den jiddischen Tanz-Ball ab 21 Uhr im elan (Kapellenstraße 47).fn

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