Der kleine Adler als Blickfang beim Festzug

30.09.2010, 13:00 Uhr
Der kleine Adler als Blickfang beim Festzug

© Edgar Pfrogner

Die große Eingangshalle im „Haus der Kleingärtner“ ist seit Wochen eine Werkstatt. Tapeziertische stehen ringsherum, darauf drängen sich Farbeimer, Spraydosen, Pinsel, Schraubenzieher, Zangen, Holzbohrer, Heißklebepistole, Wasserwaage und und und. Der Boden ist mit Folie abgedeckt, in der Luft liegt der intensive Geruch frischer Farbe. Mitten im Raum ein Relikt aus einer anderen Zeit: eine kleinere Ausgabe des „Adler“, Deutschlands erster Eisenbahn, die vor 175 Jahren ihre viel bestaunte Jungfernfahrt von Nürnberg nach Fürth antrat.

Was? Kreuzschlitzschrauben?

Staunen werden die Menschen wohl auch wieder am 10. Oktober. Dann nämlich, wenn sich die auf Hochglanz getrimmte hölzerne Dampflok im Maßstab 1:2, die jetzt samt Tender und Wagen auf Plastikfolie ruht, durch Fürth bewegt. Sie wird einen anderen Weg nehmen als ihr historisches Vorbild und sie wird von einem betagten und ebenfalls sehenswerten Traktor gezogen werden, einem Schlüter, Baujahr 1954.

Rund 600 Stunden hat Rentner und Kleingärtner Wilhelm Schnabl mit Hilfe seines Vereinskollegen Roland Weck (42), der Maler und Lackierer ist, damit zugebracht, Deutschlands erste Eisenbahn bis in alle Einzelheiten nachzubauen (wir berichteten). Seine Frau, erzählt der 61-jährige Schnabl augenzwinkernd, die ihn im Grunde tatkräftig bei seinem Hobby unterstütze, habe schon gemeint, er solle sein Bett am besten gleich in die Werkstatt stellen... Kein Wunder. Die Stunden zwischen sieben Uhr früh und acht oder neun Uhr abends verbringt Schnabl zurzeit nicht bei seiner Gattin, sondern beim Tüfteln und Basteln im „Haus der Kleingärtner“.



Immerhin: Das Werk ist fast vollbracht. Noch im Lauf dieser Woche soll es fix und fertig sein. Nur ein paar Kleinigkeiten fehlen noch. „120 Nietenköpfla“, sagt Schnabl „müssen zum Beispiel noch eingeschlagen werden“. Nicht nur eingeschlagen. Damit Eisenbahnexperten bei genauer Begutachtung nicht meckern können — Motto: „Was? Kreuzschlitzschrauben? Die hat’s anno 1835 doch noch gar nicht gegeben!“ —, schwärzt Schnabl die Schrauben und füllt überdies die winzigen Schlitze mit Farbe auf.

Fürs Foto rücken der Erbauer und sein Assistent nah heran an „ihren“ Adler. Sanft streicht Schnabls Hand über den hohen schwarzen Schornstein. Ob der rauchen wird beim Erntedankfestzug? Schnabl setzt eine verschwörerische Miene auf und winkt ab: „Das ist noch ein Geheimnis.“

Einer schippt Kohlen

Kein Geheimnis hingegen ist, dass der kleine „Adler“ belebt sein wird. Einen Lokführer soll es geben, stilecht mit Zylinder, einen Maschinisten mit verrußtem Gesicht, der die Kohlen schippt, und aus dem Erste-Klasse-Wagen heraus sollen zwei junge Fahrgäste in zeitgemäßen Kostümen dem Publikum am Straßenrand huldvoll zuwinken.

Selbstverständlich wünschen sich Schnabl und Weck strahlenden Sonnenschein am 10. Oktober. Und wenn es regnet? Schulterzucken. „Dem ,Adler’ passiert da nix“, versichert Weck, „der ist so gut lackiert, der hält auch Dauerregen aus.“ Sonne wäre trotzdem besser, schon deshalb, weil dann mehr Leute zum Zuschauen kommen. Und vielleicht befindet sich unter ihnen dann sogar ein potenzieller Käufer...