Der Straßenfußballer braucht noch Führung

28.8.2014, 18:27 Uhr
Der Straßenfußballer braucht noch Führung

© Foto: Zink

Zum Ende der Transferperiode hat Helmut Hack den Altersdurchschnitt seines Kleeblatts noch einmal angehoben. Der 22-jährige Marco Rojas und Marco Caligiuri (30) ersetzten Daniel Steininger und Malcolm Cacutalua (beide 19). Steininger wurde an Drittligist Regensburg verliehen, der Leihvertrag mit U 20-Nationalspieler Cacutalua aufgelöst. Sein Klub Bayer Leverkusen verleiht ihn nun an den VfL Bochum.

Hack erklärt dazu: „Malcolm kam zu uns, damit er Spielpraxis sammeln kann. Leider haben sich aber die gegenseitigen Erwartungen nicht erfüllt und wir konnten ihm auch in nächster Zeit keine Einsatzzeiten in Aussicht stellen. Für die Entwicklung in seiner noch jungen Laufbahn ist es daher der sinnvollste Schritt, dass er sich sportlich neu orientiert.“

Geboren im Pott

Somit bleiben die Küken im Kader Muhammed Kayaroglu (18), Alexandros Kartalis (19), Dwayn Holter (19) und Orkan Cinar (18). Während die drei Erstgenannten aus der eigenen U 19 in den Profikader aufrückten, kam der Deutsch-Türke Cinar von der U 19 des VfL Wolfsburg. Sein Geburtsort ist Dortmund, doch sobald der Linksfuß den Mund aufmacht, was er auf und neben dem Platz öfter tut, verrät die Berliner Schnauze: Er ist ein Kind der Hauptstadt.

„Ich bin in den Bezirken Reinickendorf und Wedding groß geworden, später bin ich mit meinen Eltern dann nach Charlottenburg gezogen. Sie wollten, dass ich in der schönsten Gegend Berlins groß werde“, erzählt er. Als er vier war, meldeten ihn seine Eltern in der Fußballabteilung der Reinickendorfer Füchse an, doch den Umgang mit der Lederkugel, glaubt sein Trainer Frank Kramer, lernte er woanders: „Orkan ist ein Straßenkicker, aber ein richtig guter.“ Spielführer Wolfgang Hesl setzt noch einen drauf: „Orkan ist ein Junge mit unheimlich viel Talent, wie ich es selten gesehen habe. Er ist schnell und trickreich.“

Cinar erzählt aus seiner Kindheit: „In den Ferien war ich von 10 bis 22 Uhr auf dem Bolzplatz, zwischendurch haben wir uns Essen bei Kaiser’s geholt, dann ging’s weiter.“ Von Herthas U 14 ging es „erst mal einen Schritt zurück“ zu Tennis Borussia. Mit 15 zog er ins Jugendinternat des VfL Wolfsburg, einem Klub mit unendlich vielen Möglichkeiten und jeder Menge Geld. „Trotzdem finde ich in Fürth die Bedingungen besser, die Jungs sind besser drauf, alles ist familiärer“, zieht er den Vergleich.

Seine „Unbekümmertheit“ (Kramer) scheint bei den Teamkollegen anzukommen. Nach nur einer Woche Pause zwischen dem letzten A-Jugendspiel mit dem VW-Klub und der Vorbereitung mit dem Kleeblatt gelang ihm schnell ein Tor. Im Testspiel gegen den ASV Zirndorf feierte der linke Mittelfeldspieler sein 4:0 mit einem Salto. Sein erster Pflichtspieleinsatz folgte schon im Pokal gegen Sechstligist Waldkirch, auch gegen Ingolstadt warf ihn Kramer ins kalte Wasser. „Die Jungs unterstützen mich, auch wenn mal etwas nicht geklappt hat“, lobt Cinar das Team.

Kramer weiß, dass er in den kommenden drei Jahren – solange läuft Cinars Vertrag – noch viel Arbeit mit dem Jungen hat: „Gerade im taktischen Bereich oder zum Beispiel beim Anlaufen des Gegners, da braucht er noch Schliff.“

Realschule statt Baumschule

Verbesserungsbedarf besteht auch im sprachlichen Bereich. Bei der Frage nach seinem Schulabschluss antwortet der vorbeischlendernde Zeugwart Hardy Hiesinger „aff dä Baumschul’“, was Cinar trotz Realschulabschluss nicht übersetzen kann. „Mich verstehen hier alle, aber ich versteh’ die Franken nicht, das ist ganz lustig“, kommentiert er es locker.

Das Spiel der Saison steigt für ihn am ersten November-Wochenende, wenn die Weiß-Grünen in die Alte Försterei zu Union Berlin fahren. „Da werden eine Menge Freunde kommen.“ Vielleicht auch seine in der Hauptstadt zurückgebliebene ExFreundin, die er sehr vermisst.

In Fürth hatte er außerhalb des Fußballplatzes noch gar keine Zeit, neue Freunde zu finden. In den wenigen Wochen ist jedoch einer „wie ein älterer Bruder für mich geworden“: Ilir Azemi. „Das macht mich umso trauriger, ich bin gleich am Tag des Unfalls sofort ins Krankenhaus gefahren, um mit ihm zu reden.“

Vor seinem Unfall hatte ihn der Kosovare „an die Hand genommen“, ihm die Stadt gezeigt, den Verein erklärt. Auf dem gemeinsamen Zimmer im Trainingslager haben sich die beiden Muslime auch über ihren Glauben unterhalten. Seit Azemis Unfall kümmern sich die älteren Spieler wie Stephan Schröck und Goran Sukalo um Cinar. „Er braucht Führung auf dem Platz“, erklärt Kapitän Hesl, relativiert aber: „neben dem Platz eher weniger. Er scheint ein verrückter Kerl zu sein, aber er weiß genau, was er will. Es ist sein erstes Herrenjahr und er erscheint mir nur manchmal noch einen Tick zu ehrgeizig.“

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