Die Grenzgänger

17.06.2011, 11:55 Uhr
Die Grenzgänger

© H.-J. Winckler

Der zählt zu der kleinen Bevölkerungsschicht, die das Kleingedruckte in den Amtsblättern studiert. In denen des Landkreises Fürth war bereits vor längerem zu lesen, dass Schwarz wie weitere sechs Hausbesitzer in seinem Straßenzug umgemeindet wird. Seitdem wartet Schwarz darauf, ob ihn eine Behörde offiziell informiert.

Die Heinestraße in Oberasbach ist einer der Abschnitte an der im Zick-Zack-Kurs verlaufenden Grenze zu Zirndorf. Vor dem Hintergrund einiger Kuriositäten galt es, klarere Grenzkonturen zu ziehen, erklärt Zirndorfs Bürgermeister Thomas Zwingel. Insgesamt vier Verfahren liefen oder laufen noch, so Bernd Gabriel vom Bauamt Oberasbach. Das Verfahren für die aktuelle Grenzverschiebung im Bereich der Heinestraße hat das Landratsamt Fürth 2004 auf Antrag der beiden Städte gestartet und es ist dasjenige, das laut Norbert Ruffertshöfer vom Bauamt Zirndorf mit etwa einem Dutzend Anwesen am meisten private Anlieger trifft. Darüber hinaus berührt es Gabriel zufolge vorwiegend gewerblichen Grund an der Rothenburger Straße.

Die betroffenen Anlieger der Heinestraße bekommen ihre Gebührenbescheide für Wasser, Abwasser oder Gas von Zirndorf, die Grundsteuer zahlen sie nach Oberasbach. In einem Anwesen verläuft die Grenze mitten durchs Haus. „Dass wir jetzt doch Zirndorfer werden sollen und uns das niemand sagt, hat uns alle doch ein wenig erstaunt“, berichtet Schwarz. Immerhin ergebe sich für die Betroffenen „ein ganzer Rattenschwanz an Adresskorrekturen“.

Vor etwa 15 Jahren wurden die sieben Reihenhäuser am Ende der Stichstraße, die von der Heinestraße Zirndorfs zur Heinestraße Oberasbachs führt, also nur von Zirndorfer Stadtgebiet aus zu erreichen ist, gebaut. In Anspielung auf die österreichische Enklave, zu der nur deutsche Straßen führen, spricht Schwarz gern vom „Kleinwalsertal von Oberasbach“, in dem er lebt. Sein Haus und der Fußweg davor liegen auf Oberasbacher Grund, die Hecke daneben steht schon in Zirndorf, genauso wie die wenige Schritte entfernte Garage.

„Scherereien ohne Ende“

In den ersten Jahren an ihrem Wohnsitz gab es immer wieder Probleme mit der Postzustellung und auch Paketdienste suchten mitunter vergebens nach der Heinestraße in Oberasbach, zumal die in manchem Oberasbacher Stadtplan gar nicht aufgelistet war. Als Nachbarin Birgit Rudolf nachts einmal den Rettungsdienst brauchte, „hätte ich keinen Infarkt haben dürfen“. Nach einer Stunde vergeblichen Suchens rief der Notarzt bei ihrem Mann Frowin an und fragte, wie er zum Haus der Rudolfs finde.

„Als wir gebaut haben, hätte die Umgemeindung Sinn gemacht. In den ersten Jahren hatten wir Scherereien ohne Ende“, so Schwarz. Doch zwischenzeitlich habe sich alles eingespielt. Er fürchtet, dass jetzt, da sämtliche Probleme des Grenzgänger-Daseins gelöst sind, „das Theater wieder von vorne losgehen könnte“.

2003, erinnert sich Schwarz, zu einem Treffen — damals noch bei Bürgermeisterin Birgit Hubers Amtsvorgänger Bruno Allar — eingeladen gewesen zu sein. „Da sind wir gefragt worden, ob wir Zirndorfer werden wollen.“ Einer von sieben Noch-Oberasbachern der Heinestraße war dafür, der Rest dagegen, unter ihnen auch das Ehepaar Schwarz. 2008 wurden sie angeschrieben und um Stellungnahme gebeten. Heute fühlt sich auch Schwarz’ Nachbar Andreas Gruss „doch etwas veräppelt, wieso wird man überhaupt gefragt, wenn dann doch öffentliche Interessen unsere Bedenken überwogen“, wie er der amtlichen Veröffentlichtung zur Umgemeindungs-Verordnung entnehmen konnte.

Die führt Bernd Kuch als Sprecher des Landratsamtes in erster Linie auf die Erschließungs-Situation zurück. Sie, so seine zuständige Kollegin am Landratsamt, Renate Kögel, galt es zu klären. Aus der Welt schaffen wollte man dabei auch das Problem, das sich bei Straßenausbauten ergibt. Es habe Fälle gegeben, dass Bürger auf der einen Seite für eine Straßenausbau-Maßnahme von Zirndorf zur Kasse gebeten wurden, während ihre Gegenüber auf Oberasbacher Grund außen vor blieben, da dort bekanntlich keine solche Satzung existiert. Dabei profitierten alle Anlieger vom Ausbau. Dass Oberasbacher nach ihrer Umgemeindung nachträglich zur Kasse gebeten werden, sei allerdings nicht zu befürchten, sagt Kuch. Die fraglichen Fälle seien abgerechnet.

Zumindest hofft Renate Schwarz, nicht auf irgendwelchen behördlichen Gebühren sitzen zu bleiben, wenn amtliche Papiere zu ändern sind. Wovon sie ausgehen dürfen, wie Zwingel und seine Amtskollegin Huber auf Anfrage bestätigen. Den Schriftverkehr, den es erfordert, um die Korrespondenz etwa mit Versicherungen neu zu regeln, wird den Umgebürgerten aber sicher keiner abnehmen.