Erstes Fürther Demenz-Zentrum eröffnet

17.01.2011, 22:00 Uhr
Erstes Fürther Demenz-Zentrum eröffnet

© Winckler

Das rot-weiße Absperrband ist zerschnitten, der Weg in den Neubau frei. Udo Weißfloch, Leiter des Fritz-Rupprecht-Heims, geht seinen Gästen bei der offiziellen Einweihung voran. Er müsste das nicht tun. Der Weg ist klar. Wer das Demenz-Zentrum betritt, wird gelenkt. Von einem Lichtband an der Decke und, damit korrespondierend, vom Muster der Fliesen auf dem Boden. Es handelt sich um ein subtiles Leitsystem, das die Bewohner abhalten soll, wegzulaufen. Nach Hause oder irgendwohin. Weißfloch erklärt: „Wir wollen die Leute weglocken von den Türen.“

Keine Fixierung im Bett

211 Menschen bewohnen das Fritz-Rupprecht-Heim. Bei der Hälfte von ihnen lautet die Diagnose Demenz. Die Betroffenen leiden an einer Krankheit, die laut Weißfloch „geprägt ist durch Vergessen, Rückzug, Isolation“. Den Patienten fällt es schwer, sich Dinge zu merken. Ihr Gehirn legt Erinnerungen und Wissen an Plätzen ab, auf die sie oft nur zufällig stoßen. In der Folge verwechseln die Menschen Termine, halten ihre Angehörigen für Fremde oder wollen nach dem Essen gleich wieder essen.

„Demenz ist das Krankheitsbild der Zukunft“, sagt Weißfloch und belegt das mit Zahlen aus seinem Haus: Vor zehn Jahren war ein Viertel der im Schnitt 82- bis 83-jährigen Bewohner betroffen, heute ist es die Hälfte. Das neue Demenz-Zentrum, laut Awo das erste dieser Größenordnung in Nordbayern, bietet nun die Möglichkeit einer Versorgung ohne abgesperrte Türen und ohne Bettenfixierung.

Licht und Fliesen führen zu einer offenen Küche, dem Herz des Hauses. Wenn alles kommt, wie Weißfloch sich das denkt, herrscht hier in Kürze eine Atmosphäre „wie in einer Wohnküche der 50er Jahre, wo gekocht, geplaudert und gedöst wurde“. Noch liegt der Geruch neuer Möbel in der Luft, aber bald könnte es nach frisch gebackenem Kuchen duften.

„Weil ein Demenzkranker leicht seinen Tag verliert“, wie Weißfloch es ausdrückt, „muss jeder Tag mit Leben gefüllt werden“. Ankerpunkte wie Mahlzeiten bieten Halt und Orientierung. Dazwischen wird gesungen, gespielt, gelesen, gewaschen, gekocht, gebacken. Beschäftigungen, die nicht nur vom Weglauf-Impuls ablenken sollen.

Beim Backen etwa kommt es weniger auf die Produktion an, betont der Heimleiter, sondern auf die Tätigkeit an sich. Die altvertrauten Handgriffe, das Apfelschälen und Teigkneten, die Düfte aus einem früheren Leben erhalten und reaktivieren Wissen. Weißfloch geht davon aus, dass solche Maßnahmen das Wesen der Kranken positiv beeinflussen, „dass sie ruhiger werden, ausgeglichener“.

Oberbürgermeister Thomas Jung hat vor dem Rundgang erklärt, er freue sich, dass die Awo dieses „gesellschaftlich wichtige Thema anpackt und hier vorangeht. Denn Demenz ist eine Krankheit, die als nicht heilbar gilt. Man muss sie akzeptieren, kann sich nur bemühen, das Beste draus zu machen — und das tut die Awo“. Dabei habe man den Anbau, betont Awo-Vorsitzender Werner Bloß, ganz ohne öffentliche Zuschüsse gestemmt.

Von nun an steht der neue Gebäudetrakt demenzkranken Bewohnern des Fritz-Rupprecht-Heims offen. Wenn sie wollen, Tag und Nacht. Wer zwischendurch für sich sein will, kann sich in einen Ruheraum zurückziehen. Ohrenbackensessel wie zu Opas Zeiten laden hier zum Verweilen ein. „Schön ist es hier“, seufzt bei der Besichtigung eine Besucherin, „aber schöner ist es halt doch, wenn man gar nicht drin ist in einem Seniorenheim.“