Faire Kleidung: Fränkisches Label hilft Näherinnen
6.11.2019, 11:00 UhrDer kleine Tisch ist meistens voll. Gerade liegen unter anderem eine schwarze Jeans und ein nudefarbener Satinrock darauf – bis morgen, so vermutet die Schülerin Linn Bayer, werden sie eine neue Besitzerin gefunden haben. Der "Tauschtisch" an der städtischen Modeschule in der Reutersbrunnenstraße wird nämlich intensiv genutzt. Entstanden ist er auf Initiative der Schülerinnen hin, als Beitrag zu einem nachhaltigen Lebensstil. Denn das Thema nimmt bei den angehenden Modeschneiderinnen und Bekleidungstechnikerinnen einen immer größeren Raum ein.
Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt ein Projekt, das seit fünf Jahren im Lehrplan verankert und mittlerweile sehr erfolgreich ist. "Azadi" heißt das Programm, das ein kleiner Baustein sein will beim Versuch, die Produktionsbedingungen in der Textilindustrie zu verbessern und Mode in den Handel zu bringen, die mit gutem Gewissen getragen werden kann. Die Modeschülerinnen entwerfen dafür eine eigene Kollektion, zeichnen nicht nur die Modelle, sondern fertigen auch die Musterstücke an. Produziert werden Kleider, Röcke und Co. dann in Indien, aus ökologisch produzierten Stoffen und zu fairen Bedingungen. Und nicht nur das: Das Projekt gibt zudem Frauen und Mädchen aus armen Familien, die zum Teil in die Prostitution gezwungen wurden, eine neue Perspektive.
Chancen für Näherinnen
Der Name ist dabei Programm, denn "Azadi" heißt "Freiheit". Die Frauen wohnen in Delhi, in einem Schutzhaus der Hilfsorganisation "Stop" und sollen durch die Näharbeiten unabhängiger werden. Die Modeschule arbeitet dabei mit dem gemeinnützigen Fürther Unternehmen "Farcap" zusammen, das die "Azadi"-Kollektion in rund 50 Läden in ganz Deutschland vertreibt.
Für die Beteiligten ist das ein großer Erfolg. "Der Absatzmarkt hat sich innerhalb von zwei Jahren verdoppelt", so die Leiterin der Modeschule, Barbara Denker. Gerade haben die Schülerinnen ihre fünfte Kollektion in Angriff genommen. Zu ihren Aufgaben gehört es auch, einfache Schnitte zu wählen, die sich leicht umsetzen lassen. Insofern passe das Projekt perfekt in den Lehrplan, so Denker. Im Rahmen der Arbeit ist ein Austausch mit einer indischen Partnerschule entstanden, zu dem auch eine Reise nach Indien gehörte. Sandra Wentzke war mit dabei – ein Erlebnis, das sie nicht missen möchte. "Mein Blick auf das Thema Mode hat sich dadurch verändert", sagt die 21-Jährige. "Ich trage meine Sachen länger und kaufe bewusster ein."
"Sie nehmen das mit"
Ihrer Mitschülerin Linn Bayer geht es ähnlich, auch wenn sie nicht in Indien war. Die angehenden Bekleidungstechnikerinnen sehen sich als Multiplikatorinnen – schließlich können sie später vielleicht mit entscheiden, wo und zu welchen Konditionen große Firmen einkaufen und fertigen lassen. "Sie nehmen das mit zu ihren Arbeitgebern", sagt Denker. "Und sie haben Einfluss darauf, ob nachhaltig produziert und auf die Menschenrechte geachtet wird."
Dass ein derartiges Projekt fest im Lehrplan verankert ist, sei in Deutschland einmalig, betont die Schulleiterin. Lob für die Arbeit kommt deshalb auch vom Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn, das Berufsbildungsprojekte zum Thema Nachhaltigkeit fördert.
Ganz anders gestrickt ist ein weiteres Projekt der Modeschule, das ebenfalls im Rahmen einer Partnerschaft entstanden ist. Im Austausch mit ihren Partnerschulen in Londonderry, Glasgow und Prag entwarfen die Schülerinnen opulente Mode im Stil des schottischen Designers Charles Rennie Mackintosh. Dafür gab es jetzt einen Preis des Fachverbandes Textil.
Am Freitag, 22. November, laden die Modeschulen an der B5 von 15 bis 19 Uhr zum Tag der offenen Tür ein (Reutersbrunnenstraße 12). Mode von "Azadi" gibt es bei Farcap in Fürth, Gustavstraße 31.
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