Freifunker wollen Gratis-WLAN für alle
10.2.2016, 06:00 UhrDas weltweite Netz ist für viele ganz nah, einen Klick entfernt, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Der WLAN-Anschluss zuhause und das Datenvolumen auf dem Handy machen es möglich. Dass das nicht selbstverständlich ist, registriert man oft erst in Gegenden, in denen keine schnellen Internetkabel verlegt wurden. Und es merken Menschen, die auf jeden Euro schauen müssen.
Die Teilnahme am digitalen Leben aber sollte nicht abhängig vom Geldbeutel sein, Bedürftige sollen nicht ausgeschlossen sein, finden die Freifunker. Sie streben bundesweit nach einem demokratischen, offenen, unzensierten und kostenlosen Netz. Ihre Vision: Wie ein Spinnennetz sollen sich Router verbinden und ein Gratis-WLAN über die Stadt legen, damit jeder unterwegs mit dem Handy oder Laptop das Internet nutzen kann.
„Die gehobene Mittelschicht versteht das oft nicht. Aber bei mir vor dem Haus sitzen zu jeder Zeit Leute, um hier freies Netz zu bekommen“, sagt Alexander Wunschik von der Initiative „Freifunk Franken“. Wunschik, in Fürth zuhause, hat seine Adresse zum Hotspot gemacht: Mittels einer kleinen, etwa handtellergroßen Antenne auf dem Dach des Mehrfamilienhauses teilt er seine Internetleitung und die Leistung seines Routers mit anderen.
So wie er sorgen Freifunker in ganz Deutschland für nicht-kommerzielle WLAN-Knoten, in Berlin und Hamburg sind schon ganze Stadtteile vernetzt. Im Großraum Nürnberg gibt es bisher etwa 450 Freifunk-Knoten.
Auch manche Kneipenwirte sind dankbar
In Fürth kann man sich beispielsweise in der Altstadt ins Gratis-WLAN der Freifunker verbinden. Dafür sind auch manche Kneipenwirte dankbar, sagt Wunschik. Denn die meisten fürchten sich davor, ihren DSL-Anschluss ungeschützt den Gästen bereitzustellen – wegen der sogenannten Störerhaftung: In Deutschland müssen Anbieter von öffentlich zugänglichen Hotspots damit rechnen, dass sie im Extremfall mitverantwortlich gemacht werden, wenn jemand eine Straftat über ihren Netzzugang verübt. Seit langem kämpfen die Freifunker gegen diese gesetzliche Regelung: Sie sei der Grund, weshalb Deutschland in Sachen öffentliche WLAN-Versorgung anderen Ländern so stark hinterherhinke.
Die Freifunker selbst nutzen einen technischen Trick. Sie lotsen Daten über Server im Ausland, um die Störerhaftung zu umgehen, oder gründen Fördervereine, die das sogenannte Providerprivileg besitzen und – ähnlich wie die Telekom – von der Haftung ausgeschlossen sind.
Die Störerhaftung ist auch eines der Hindernisse, wenn es um die Ausstattung von Flüchtlingsunterkünften mit WLAN geht. Oft haben die Hausherren Bedenken, in vielen Städten sind daher die Freifunker aktiv geworden, um Flüchtlingsheime zu versorgen. Bislang müssen sich Asylsuchende meist teure Guthabenkarten fürs Handy kaufen. „Hier gibt es noch viel zu tun, der Bedarf ist enorm“, sagt Wunschik.
Mit ihrem Smartphone ins Netz gehen zu können, sei für Geflüchtete extrem wichtig: um Kontakt zu halten mit Verwandten, um Nachrichten mitzubekommen, Übersetzungsprogramme zu nutzen, sich ein wenig abzulenken in den Tagen des Wartens. Wunschik: „Manche schauen Musikvideos, andere interessieren sich für das Geschehen in der Heimat, sie wollen zum Beispiel wissen, welche Stadt eingenommen wurde.“
Die Initiative Freifunk Franken hat bereits zirka 60 Unterkünfte in der Region mit WLAN ausgestattet – das Höffner-Gebäude in Ronhof gehört seit Januar dazu. Zum einen konnte hier dank Spenden, die die Flüchtlingshilfe Fürth gesammelt hat, ein Computerraum mit zehn Plätzen eingerichtet werden. Der Raum öffnet für einige Stunden am Tag, Ehrenamtliche übernehmen dann die Aufsicht. Ein Drucker steht bereit, um Unterlagen ausdrucken zu können.
Zum anderen haben die Freifunker dafür gesorgt, dass es ein ausreichend starkes WLAN im Wohnbereich der Unterkunft gibt, so dass etwa 200 Menschen gleichzeitig online sein können. Die Schwierigkeit war, dass es in dieser Ecke von Fürth – wie oft am Stadtrand – keine schnellen Internetleitungen gibt, erklärt Wunschik. Je mehr Menschen aber das WLAN nutzen, umso langsamer wird es.
Unterstützung von St. Michael
Geholfen hat den Freifunkern die Gemeinde St. Michael: Der Kirchenvorstand stimmte zu, dass am Turm von St. Michael, in den Fenstern, kleine Antennen angebracht werden durften. Sie sind von unten nicht zu erkennen – doch damit wurde es möglich, eine Funkstrecke zwischen Wunschiks Haus und dem Höffner-Gebäude, das mit Antennen und Routern versehen wurde, aufzubauen. Der Vorstand habe gesehen, dass hier eine Not bestand, und wollte der Flüchtlingsunterkunft helfen, erklärt Fürths evangelischer Dekan Jörg Sichelstiel.
Nicht nur Alexander Wunschik, auch viele Helfer finden es absurd, dass der Staat die Versorgung mit Internet ehrenamtlichen Initiativen überlässt: Umso mehr, weil es inzwischen viele Angebote gibt, die entwickelt wurden, um Asylsuchenden Orientierung zu geben und bei der Integration zu helfen. Seiten wie www.refugeeguide.de — die die Regeln des Zusammenlebens in Deutschland in vielen Sprachen erklären. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk produziert schon Erklär-Videos oder Clips mit Kurznachrichten auf Englisch und Arabisch. Die Freifunker wollen sich nun daran machen, weitere Unterkünfte in Fürth mit WLAN auszustatten.
Wer das Projekt mit Spenden für Router und Ähnliches unterstützen möchte oder sich mit seiner Internetleitung beteiligen möchte, findet Informationen unter www.fluechtlingshilfe-fuerth.de
Und so kommt man ins freie WLAN: Wer am Display seines Smartphones franken.freifunk.net als WLAN-Option angezeigt bekommt, kann sich verbinden. Es ist kein Passwort nötig und niemand muss sich durch komplexe Geschäftsbedingungen klicken, bevor es losgeht. Hier findet man die Hotspots der Freifunker in der Region.
Die Freifunker treffen sich gelegentlich und freuen sich immer über neue Mitstreiter. Wer mit seinem Router das Gratis-WLAN in Fürth erweitern möchte, findet Informationen auf ihrer Homepage unter der Adresse www.freifunk-franken.de
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