Fürth: Surfen auf Asphalt
02.04.2015, 06:00 UhrWie Surfboards sehen die bis zu 183 Zentimeter langen Rollbretter aus, die das Souterrain des Werkstattladens und Lagers in der Heiligenstraße bis in den hintersten Winkel füllen. Surfer waren es auch, die sie erfanden, um bei Flaute über den Asphalt flitzen zu können. Doch nicht die Brettlänge macht den Charakter eines Longboards aus, sondern der große Achsabstand, die gute Lenkbarkeit durch Gewichtsverlagerung und die größeren Rollen, die auch Kopfsteinpflaster noch überwinden. „Besondere Tricks wie bei Skateboard sind zum Fahren nicht nötig, jeder kann es“, beschreibt der Fürther den Fahrstil.
Vom Longboard-Virus infiziert wurde er schon als Siebenjähriger. In seiner Heimatstadt Köln gab es die entsprechenden Läden und eine ausgeprägte Szene. Nachdem Sachrau mit einem billigen Kaufhausmodell erste Erfahrungen gesammelt hatte, griff er gleich nach den Sternen und legte sich von seinem Konfirmationsgeld eine hochwertige Ausstattung zu. 900 Mark investierte er damals. Bereut hat er es bis heute nicht. „Das Brett habe ich noch immer“, sagt der Bastler stolz.
Dass es dabei nicht so sehr auf das Board ankommt, als vielmehr aufs Fahrwerk, demonstriert er mit einer ungehobelten Holzdiele, an die er hochwertige Achsen geschraubt hat. In seinen Fahreigenschaften steht das Teil schicken, bunten Designerbrettern aus Carbon oder Aluminium keineswegs nach. Scheinbar mühelos pumpt sich Sachrau den nicht gerade flachen Heiligenberg hinauf. „Ich kann 40 Kilometer fahren ohne abzusteigen“, erklärt der Fürther die Faszination des Rollensports.
Viel Zeit dafür hat er allerdings nicht mehr, denn meist tüftelt er an Fahrwerksverbesserungen. Bis spät in die Nacht hinein arbeitet er seit Monaten an einem neuen Achssystem. Vier bis fünf Stunden täglich ist Sachrau mit der Weiterentwicklung seiner Longboards beschäftigt. Vorspur, Neigung und Nachlauf müssen berechnet werden, die Federung will auf unterschiedliche Fahrstile eingestellt sein und die Rolleigenschaften müssen in jeder Position überzeugen.
Da ist viel Physik im Spiel, sagt der Tüftler. 45-Jährige Erfahrung lässt er in sein Werk einfließen, das nach eigenen Worten kurz vor dem Durchbruch steht. Die Eigenschaften von acht verschiedenen Achsen soll das neue System vereinen. Schnelles Downhillfahren muss es ebenso verkraften wie gemütliches Cruisen, Slalom und Kunststücke.
Auf dem Markt hat sich Rainer Sachrau mit der Marke Casinolongboards eine Nische für Qualitätsprodukte gesucht, nachdem er im Internethandel mit den Massenanbietern preislich nicht mehr mithalten konnte. Die Preisspanne seiner Longboards reicht von 85 bis 500 Euro. „Einsteiger kaufen sich gewöhnlich die Bretter mit der schönsten Optik, Kenner legen mehr Wert auf die Technik“, sagt der 52-Jährige. Verstellbare Achsabstände erlauben das individuelle Anpassen des Boards auf die Anforderungen des Fahrers. Damit das Brett tiefer gelegt werden kann, was die Fahreigenschaften verbessert, sind bei manchen Modellen Aussparungen für die Rollen angebracht.
Am Limit brettert Rainer Sachrau längst nicht mehr. Doch die Lust am Surfen über den Asphalt treibt ihn noch mächtig an. Mit Sportsfreunden hat er sich früher gelegentlich zu Ausfahrten getroffen. Das gab immer großes Aufsehen, wenn die Männer mit ihren langen Bretter aufkreuzten. Zwar ist das Boarden noch immer eine Domäne von Jugendlichen, aber auch ältere Semester halten sich in der Szene. Die Begegnung der Generationen gehört für Sachrau zu den spannendsten Aspekten seines Hobbys.
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