Fürther Beratungsstelle hilft Familien mit behinderten Kindern
02.11.2014, 16:00 Uhr
Eigentlich kann Anita Kinle mit dem Erfolg der Startphase ihrer Einrichtung im ersten Stock der historischen Evora-Bräu-Villa, Erlanger Straße 50, ganz zufrieden sein. In den fünf Jahren seit ihrer Gründung konnte die interdisziplinäre Beratungsstelle schon vielen Familien mit Angehörigen mit Behinderung neue Perspektiven eröffnen. Unbürokratisch und unkommerziell trägt sie zur Steigerung der Lebensqualität bei.
Die Lebenshilfe Fürth hat der rührigen Oberfürbergerin bereits den Integrationspreis verliehen, die Fürther Freimaurerloge „Zur Wahrheit und Freundschaft“ den Preis für vorbildliche Mitmenschlichkeit. Auch der World Down Syndrom Award der Europäischen Down-Syndrom-Gesellschaft schmückt die Trophäensammlung der 49-Jährigen.
Doch die Mutter eines Kindes mit Down-Syndrom und Geschäftsführerin der Beratungsstelle ist nicht der Typ, um sich auf derartigem Lorbeer auszuruhen. Als Kämpfernatur ringt sie vielmehr weiter um die langfristige Absicherung ihrer Institution. Dazu wäre vor allem ein Sponsor aus der Wirtschaft nötig, der die Mietkosten der Einrichtung übernimmt.
Ein medizinisches Netzwerk bildet den Kern der Beratungsstelle mit ihren fünf Räumen auf 110 Quadratmetern. Ein Arzt für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt Homöopathie und Kinesiologie, eine Psychologin, eine Physiotherapeutin, eine Kinderkrankenschwester und eine Heilpraktikerin mit Schwerpunkt Akupunktur bilden den Stamm. Bei Bedarf können weitere Mediziner hinzugezogen
werden.
Ganzheitlicher Ansatz
„Wir arbeiten konsiliarisch“, beschreibt Anita Kinle das medizinische Konzept. Das Einholen mehrerer Meinungen soll verhindern, dass Heilungschancen an Fachgrenzen aufhören. So konnte etwa eine hormonelle Unterversorgung als Ursache für Niedergeschlagenheit eines Erwachsenen mit Behinderung festgestellt werden. Nachdem der Mangel behoben war, sei der Patient regelrecht aufgeblüht.
Doch nicht nur medizinisch-therapeutischen Hilfen für Menschen mit Behinderung will die Beratungsstelle leisten, auch die Angehörigen finden hier offene Ohren für ihre Sorgen und Nöte. Als „Tankstelle für Familien“ bezeichnet Anita Kinle die Einrichtung. Aus eigener Erfahrung weiß sie, dass sich Eltern oft als verlängerter Arm von Therapeuten regelrecht aufarbeiten. Ihrer eigentlichen Rolle als Garanten für Nestwärme können sie dabei kaum noch gerecht werden.
Die Förderung von Kindern mit Behinderung soll nicht den ganzen Familienalltag beherrschen. Ziel ist es, die Familie als Sozialsystem zu stärken. Die Eltern sollen in erster Linie Eltern bleiben können. „Wir helfen Angehörigen, die Diagnose von Behinderung zu verarbeiten und zeigen ihnen, was man alles Positives daraus ziehen kann“, sag Anita Kinle, die selbst kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung zur Heilpraktikerin steht.
15 bis 20 Familien werden von der Beratungsstelle betreut – in der Regel zwei bis drei Jahre lang, bis die akuten Probleme im Griff sind. Vom Säugling bis zum 47-Jährigen reicht das Spektrum der Patienten. Zu den individuellen Hilfsangeboten gehört auch die Sprachförderung.
Zur Finanzierung der anspruchsvollen Aufgabe wurde 2011 eine Stiftung ins Leben gerufen. Hervorgegangen ist die Beratungsstelle aus dem 2007 gegründeten Laufclub 21, der im Sport eine unkomplizierte Begegnung von Menschen mit und ohne Behinderung ermöglicht. Die Zahl 21 steht für das Down-Syndrom, ein Gen-Defekt, bei dem das Chromosom 21 dreimal statt zweimal auftritt. Die sportliche Begeisterung kennt keine Grenzen und verbindet Menschen mühelos. Das haben zahlreiche Laufveranstaltungen gezeigt, deren Erlös wiederum der Beratungsstelle zugute kommt. Derzeit wird der nächste Down Syndrom Marathon am 15. März 2015 im Fürther Südstadtpark vorbereitet. Anmeldungen sind bereits möglich.
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