Fürther Initiative gegen die Nichtschwimmer-Schwemme
31.7.2017, 06:00 UhrWährend die Wissenschaftler noch an der Forsa-Umfrage arbeiteten, konnten zwei Grundschullehrerinnen der Fürther Frauenschule eigene Erfahrungen aus nächster Nähe sammeln. Ihr Experiment, wenn man es so nennen will: ein besonderer Schwimmunterricht für ihre beiden Klassen.
Die Ausgangslage: schwierig. Unter ihren 46 Zweitklässlern waren etwa 15 Schwimmer oder "Halbschwimmer" – und 30 Nichtschwimmer. Die Herausforderung für zwei Lehrkräfte, einer so großen Gruppe das Schwimmen beizubringen, wäre riesig gewesen. Zum Glück, sagen sie, gab es Unterstützung.
Maurice Dippold, Trainer bei der Fürther DLRG, war dabei, wenn die Mädchen und Jungen ins Becken stiegen. Unheimlich wertvoll fanden das Gisela Kiehnlein-Sansonetti und Anita Groß. Zu dritt konnten sie kleinere Gruppen bilden. Am Ende des Jahres hatten alle Kinder das Seepferdchen und viele das Jugendschwimmabzeichen Bronze, das sichere Schwimmer auszeichnet.
Fast zwei Drittel können nicht richtig schwimmen
Die Frauenschule war die erste in Fürth, an der das Projekt "Sichere Schwimmer" lief, das das bayerische Gesundheitsministerium, die AOK und die DLRG 2013 starteten. Inzwischen profitieren davon knapp 40 Schulen in Bayern. 2400 Schüler nahmen im abgelaufenen Schuljahr teil, durch die individuellere Betreuung erlernen sie die Technik schneller und nachhaltiger, betont die DLRG.
Die Unterstützung der Lehrer scheint dringend nötig. Erst im Juni warnte DLRG-Sprecher Achim Wiese: Deutschland werde zum Nichtschwimmerland. Konnten um 1990 noch 90 Prozent der Zehnjährigen schwimmen, zeigte eine Forsa-Umfrage 20 Jahre später – im Jahr 2010 – erschreckende Ergebnisse: Jedes zweite Kind war Nichtschwimmer. Bis zur repräsentativen Untersuchung 2017 verschlechterte sich das weiter: 59 Prozent der Zehnjährigen bewegen sich nicht sicher im Wasser.
Zugleich ist die Zahl der Badeunfälle gestiegen. Mindestens 537 Menschen sind 2016 in Deutschland ertrunken. Die meisten – etwa ein Fünftel – in Bayern, an Badeseen. Kinder sind besonders gefährdet. Sie wollen das Wasser erkunden. Ob sie schwimmen können oder nicht.
Überschätztes Seepferdchen
Zu den besorgniserregenden Entwicklungen tragen viele bei, so die DLRG. Die Kommunen, die Bäder schließen, um Kosten zu sparen; mittlerweile hätten 25 Prozent der Grundschulen keinen Zugang zu einem Bad. Die Investoren, die Bäder in Spaßbäder umwandeln, ohne Lehrbecken. Die Grundschulen, die ihrem gesetzlich vorgeschriebenen Auftrag, Schwimmunterricht zu erteilen, nicht ausreichend nachkommen. Und Eltern, die irrtümlich meinen, das "Seepferdchen" sei fürs Kind genug.
"Wer das Seepferdchen schafft, hat lediglich bewiesen, nicht sofort unterzugehen", sagte DLRG-Sprecher Wiese etwa der Zeit. Erst wer 200 Meter in 15 Minuten schwimmen und einen Sprung ins Wasser machen kann, also das Freischwimmer-Abzeichen (Bronze) erlangt, zählt als Schwimmer.
Familien vernachlässigen Schwimmen
Dass der Unterricht auf ein Jahr und nicht wie früher auf ein Halbjahr angelegt war, sehen Anita Groß und Gisela Kiehnlein-Sansonetti, die Lehrerinnen der Frauenschule, als deutliche Verbesserung. Zumal sich die Kinder immer schlechter Bewegungsabläufe merken könnten.
Auch Melanie Dippold, die wie Sohn Maurice bei der DLRG aktiv ist und seit 31 Jahren Schwimmkurse gibt, hat den Eindruck, dass das Schwimmen in vielen Familien vernachlässigt wird. Man merke, dass viele dafür kein Geld mehr ausgeben wollen. Und dass die Kinder in den Kursen älter sind als früher. "Es kommen Sieben-, Achtjährige, die noch nicht schwimmen können. Je später sie anfangen, umso schwerer tun sie sich."
Die DLRG-Kurse würden zwar weiter gut gebucht, doch stößt man auch an Grenzen. Weil die Bäder oft von Vereinen belegt sind und die Kurse von Ehrenamtlichen geleitet werden, die erst nach der Arbeit Zeit haben, finden sie von 18.45 bis 19.30 Uhr statt. Zu spät für manche Familien. Auch Ehrenamtliche seien schwerer zu finden. Dippold: "Das ist schade, bei einem so wichtigen Thema."
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