Festakt

Fürther Kulturpreise: Deshalb war 2020 ein prima Jahrgang

Matthias Boll

Lokalredaktion Fürth

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13.10.2021, 11:00 Uhr
Fürther Kulturpreise: Deshalb war 2020 ein prima Jahrgang

Na bitte, es geht doch: Freundliche Gesichter, nahbare Menschen, live, in Farbe und – hier füge man das Zauberwort "endlich" ein – ganz ohne Video-, Streaming- und Virtuell-Gedöns. Zwar war auch die nachgeholte Ehrung der Fürther Kulturpreisträgerinnen und -preisträger des Jahres 2020 keine rauschende, beifallsumtoste Show im randvollen Kulturforum; doch allein schon das für gewöhnlich nicht so fürchterlich aufregende Zeremoniell namens "Urkundenüberreichung" hatte das Zeug, alle Anwesenden glücklich zu machen. Und ja, auch Händeschütteln ist wieder angesagt.

Ihm sei es wichtig gewesen, "dass wir Sie nicht postalisch ehren", sagt OB Thomas Jung, daran erinnernd, dass der Festakt vor ziemlich genau einem Jahr über die Kufo-Bühne gegangen wäre. Wenn nicht. . . Der Rest ist sattsam bekannt.

Manche Preisgeld-Summe ist übrigens schon ausgegeben. Für 3000 Euro schaffte der Vorstand des Kunstkellers o27 um Ute Flierl und Matti Schneider eine neue Bühne an. Die brauchte es auch, denn seit seiner Gründung 2000 – da war das jüngste Mitglied der Delegation, Sechstklässler Leo Weiß, nicht mal in Planung – hat der Verein im alten Luftschutzbunker neben der Comödie über 700 Konzerte gewuppt. Auch gibt er zahlreichen Bands ein Probendomizil. Das war der Stadt 2020 den Sonderpreis Kultur für kontinuierliche und herausragende Akzente wert.

Neue Violine

Alle zwei Jahre vergibt die Stadt Fürth ihre Kulturpreise, dabei sprangen 2020 zwei Kulturförderpreise heraus. Unvergesslich, wie fokussiert Moritz König 2019 das Brahms-Violinkonzert im Stadttheater servierte. Inzwischen 24, sagt der in Fürth geborene, in Nürnberg lebende Musiker in aller Bescheidenheit: "Ich hätte nicht gedacht, dass der Preis so früh schon ansteht."

Andererseits: Mitglied der Nürnberger Staatsphilharmonie wird man nicht mit "Hänschen klein". Zum guten Ton, den der Junior von Heinrichskantor Andreas König stets in seinen Auftritten findet, gesellt sich ein großes Herz; mit seiner Partnerin, vergisst Lobredner Jung nicht zu erwähnen, sei König während der Pandemie in Pflegeheimen als Geigenduo aufgetreten. In ein neues Instrument floss erst neulich die Preissumme, 3000 Euro – ein Anschub nur, aber ein kräftiger.

Wenn sie loslegt, beginnen Passanten mit etwas, das sie nicht allzu oft tun: über Kunst zu reden. Barbara Engelhard, Jahrgang 1974 und längst eine alte Häsin der Metropolregion-Szene, verwandelt den öffentlichen Raum in einen niederschwelligen Eintrittssaal zum Reflektieren über nicht alltägliche Alltagsdinge.

"Wir machen weiter"

Dass etwa Innenstädte kaum Sitzgelegenheiten jenseits subtiler Konsumzwänge anbieten, verdeutlichte sie 2018 auf der Kleinen Freiheit mit einer Stühle-Installation. Bei der Fürther "Frei Luft Galerie" in diesem Sommer bedruckte sie Verkehrsschilder mit fotografischen Kunstwerken. "Der Preis bestärkt mich, weiterzumachen. Mir ist es wichtig, neue Blickwinkel zu schaffen", so Engelhard. "Wir machen so weiter", sagt auch Marcel Gasde, der mit Stephanie Schimmer, der künstlerischen Leiterin des Hauses, für die Comödie den erstmals vergebenen Kulturpreis des Stadtrates entgegen nahm. Jung: "Die Comödie hat Fürth bekannt gemacht wie sonst nur die SpVgg." Schon öfter mal gehört, den Satz. Falscher wird er deshalb nicht.

Traurig war hingegen, dass eine fehlte. Weil sie erkrankt ist, sagte Gisela Naomi Blume ihre Teilnahme an der Zeremonie ab. Der große, mit 8000 Euro dotierte Kulturpreis, ist ihrer – für unendlich wertvolle Recherchen zum alten jüdischen Friedhof und für unermüdliche Forschungsarbeit im Dienste ermordeter, vertriebener und vergessener Fürther Jüdinnen und Juden. Vor ein paar Tagen erst spendete sie ihr Preisgeld dem Stadtarchiv. Als Kulturpreisträgerin folgt Blume auf Matthias Egersdörfer, der Kabarettist nahm die Auszeichnung 2018 entgegen.

Fürth, im Oktober 2021: "Alle hatten zu kämpfen", sagt Jung mit Blick auf die zurückliegenden Gruselmonate. Doch sei keine Kultureinrichtung zugrunde gegangen, "überall sehe ich die Kraft, wieder aufzustehen". Das ist vorerst unbewiesen, bleibt aber zu hoffen.