Fürther „Stadt(ver)führungen“ mit 58 Angeboten
11.8.2015, 20:00 UhrDieser Sommer ist nicht nur heiß, sondern auch unerträglich. Die Bilder sinkender Boote voller verzweifelter Flüchtlinge im Mittelmeer, überfüllter Aufnahmelager und brennender Wohnheime meißeln sich in diesen Wochen ins kollektive Gedächtnis. Menschen ohne Wurzeln, entwurzelte Familien — was geschieht mit ihnen, was wird aus ihnen?
„Wurzeln“ ist das durchaus unbequeme Motto der „Stadt(ver)führungen“ 2015, weil Fragen nach Herkunft, Heimat, Huthinhängen auch für Menschen in höchst sicheren vier Wänden drängender werden. Wo komme ich her? Und was hat es mit den Wurzeln dieser Stadt Fürth auf sich, die für viele junge, frisch hierher gezogene Familien gleich welcher Herkunft eine neue Heimat ist? Antworten könnten jene 58 (von 393) Programmpunkte geben, mit denen sich Fürth am dreitägigen Veranstaltungsmarathon beteiligt; ein Marathon, den das Kultur-Projektbüro der Stadt Nürnberg zum 16. Mal auf die Beine stellt, zum neunten Mal laufen die Fürther mit.
Mit rund 2000 Fürther (Ver-)Führungswilligen rechnet Projektbeauftragter Mario John von der Tourist-Information in diesem Jahr. Die Nachbarstadt stellt sich ihrerseits auf 25- bis 30.000 Mitmenschen ein, die im 108 Seiten starken Programmheft das Richtige für sich entdeckt haben. Doch was heißt schon „wir hier“ und „die da drüben“? Noch immer stemmten beide Städte zu wenig gemeinsame Projekte, beklagte Andreas Radlmaier bei der Präsentation des Programms gestern im interkulturellen Garten, der das Motto der nahenden „Stadt(ver)führungen“ gleich in doppelter Wortbedeutung versinnbildlicht — und der übrigens auch Teil einer Führung sein wird. „Schulterschlüsse sind wichtig“ und funktionierten meist „super“ wie etwa 2014 bei der Criminale, so der Leiter des Projektbüros Nürnberg.
Gleichwohl verhehlt Fürths Wirtschaftsreferent Horst Müller nicht, „dass wir uns die Stadt(ver)führungen ohne Nürnberg definitiv nicht leisten könnten“. Er kündigte an, bei den nächsten Haushaltsberatungen die finanzielle und personelle Ausstattung der hiesigen Tourist-Information „auf ein vernünftiges Level zu hieven, das einer Großstadt würdig ist“. In den Ohren von Tourist-Info-Chefin Eike Söhnlein muss das in diesem Moment wie gute Musik geklungen haben.
Das Fürther „Wurzel“-Ensemble indessen vereint solch unterschiedliche Anbieter wie Geschichte Für Alle, den Kunstkeller o 27, Freimaurerloge und Dialysemuseum, Jüdisches Museum, Comödie und Eisenbahnclub — unter anderem. Erstaunlicherweise auch 2015 nicht mit dabei: das Stadttheater.
Erstmals mit von der Partie ist stattdessen der Hutladen in der Nürnberger Straße, wo sich Modistenmeisterin Birgit Roßdeutscher bei der Arbeit über die Schulter gucken lässt. Traditionelle Handarbeit: Auch das ist ein Fürther „Wurzel“-Werk. „Lieder der Entwurzelten“ wiederum setzen in St. Michael Sirka Schwartz-Uppendieck und Michael Herrschel in Szene. Migration aus und nach Fürth ist das Thema mehrerer Führungen, wo zu erfahren sein wird, dass schon im 17. und 18. Jahrhundert Flüchtlinge aus Frankreich und den Niederlanden hierher kamen. Und was es mit den Wurzeln des Altstadtviertels auf sich hat, lässt sich vom Kirchturm von St. Michael in Erfahrung bringen. Die Kirchenführer machen es möglich, den zeitgleich laufenden Grafflmarkt einmal von oben zu erleben.
Gräber-Tour mit Jung
Den Lebenswegen Prominenter, die ihre Wurzeln in Fürth haben, widmet sich Geschichte Für Alle mit „Born in Fürth“. Henry Kissinger und Ludwig Erhard stehen im Mittelpunkt von Führungen, und mit OB Thomas Jung führt der Weg zu Grabstätten von Menschen, die Fürth einst maßgeblich prägten. Die Entwicklung der Uferstadt beleuchtet Wirtschaftsreferent Müller. Stadtheimatpflegerin Karin Jungkunz begibt sich auf autobiografisch geprägte Spurensuche am Tannenplatz, Alexander Jungkunz, stellvertretender Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten, entdeckt mit seinen Mitläufern die Hardhöhe.
Doch auch die kulinarischen „Wurzeln“ liegen im Warenkorb der „Stadt(ver)führungen“ 2015 — so informiert etwa der Verein Dorfgestaltung Poppenreuth, was im Knoblauchsland auf den Teller kommt.
Eintrittskarte für alle Stadt(ver)führungen ist das Türmchen zum Umhängen. Es kostet 8 Euro im Vorverkauf, der seit wenigen Tagen läuft. Zu kriegen ist es in Fürth im FN-Ticket-Point (Rudolf-Breitscheid-Straße 19), wo es gegen Vorlage der ZAC-Karte 6,40 Euro (bis einschließlich 17. September) kostet. Mit einem Türmchen lassen sich beliebig viele Führungen besuchen, Kinder unter zwölf Jahren dürfen kostenlos mit. Zu jedem Türmchen gibt es ein Umhängeband der Nürnberger Nachrichten.
Für manche Führungen sind die Plätze begrenzt, für sie braucht es Teilnehmerkarten. Die gibt es ab 11. September um 15 Uhr in der Tourist-Information (Bahnhofplatz 2) sowie online mit dem dazugehörigen Kennwort, das man beim Kauf eines Türmchens erhält. Pro Person ist die Ausgabe auf ein Anmeldeticket pro Führung und insgesamt maximal fünf Anmeldetickets begrenzt. Das „Stadt(ver)führungen“-Programmheft liegt an allen bekannten Stellen aus.
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