Fürths jüdische Gemeinde erhält Polizeischutz

14.3.2019, 15:00 Uhr
Fürths jüdische Gemeinde erhält Polizeischutz

© Foto: Horst Linke

Einmal im Jahr, das hat Fürths OB Thomas Jung sich vor einiger Zeit vorgenommen, möchte er sich persönlich bei der Israelitischen Kultusgemeinde blicken lassen. Die Woche der Brüderlichkeit bietet sich dafür an, findet er. Und so nahm er wie im Jahr zuvor nun wieder Platz neben dem Vorsitzenden Yukhym Mashevskyy und einer Übersetzerin.

336 Mitglieder zählt die Gemeinde zurzeit, berichtet Mashevskyy. Die Mehrheit der Frauen und Männer sind schon älter, viele haben russische oder – wie er – ukrainische Wurzeln. Nicht jeder von ihnen spricht gut Deutsch, deshalb sitzt die Übersetzerin mit vorne. Rund 40 Mitglieder sind der Einladung zum Gespräch mit dem Oberbürgermeister gefolgt.

In diesem Jahr zeigt sich Jung besorgt: "Fühlen Sie sich in Fürth wohl? Sicher? Gibt es Probleme, die Sie mir mitgeben möchten?" Mehrfach wird der Rathauschef im Laufe des Austausches nachhaken, um sich ein Bild zu machen: Hat sich das Leben für die jüdischen Bürger verändert?

Bundesweit haben judenfeindliche Äußerungen und Attacken zugenommen, das beobachten Experten, das zeigen auch Umfragen und Statistiken. Gerade im Internet sind Juden mit viel Hass konfrontiert. Und: Zum alten Antisemitismus, der in Deutschland nie verschwunden ist, ist der Judenhass mancher muslimischer Migranten hinzugekommen.

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, die mehr als 16.000 Juden aus mehreren europäischen Ländern befragte, kam zu bedrückenden Ergebnissen. 89 Prozent der Befragten gaben an, dass der Antisemitismus in den vergangenen fünf Jahren gewachsen sei. Am häufigsten erleben sie Feindseligkeiten in sozialen Medien. Zugleich registrierte die Polizei bundesweit 2018 deutlich mehr antisemitisch motivierte Straftaten. Die meisten Täter stammen aus rechtsextremen Milieus.

Gute Erfahrungen in Fürth

Die Entwicklung beunruhigt auch die hiesige jüdische Gemeinde – wenngleich die Mitglieder betonen: In Fürth selbst spüren sie den Wandel nicht. Sie arbeite im ambulanten Pflegedienst, erzählt eine Frau: "Ich habe noch nie erlebt, dass jemand etwas gegen Juden gesagt hat, alle sind freundlich." Auch Rabbiner Jochanan Guggenheim, seit 2017 in Fürth, bestätigt: Er habe hier nur gute Erfahrungen gemacht, "manchmal werde ich auf der Straße mit ,Schalom!‘ begrüßt."

Yukhym Mashevskyy, der Vorsitzende, lebt seit 17 Jahren in Deutschland. "Die Situation im Land hat sich verändert", sagt er. In Fürth aber sei ihm abgesehen von kleineren Fällen, die er nicht hochspielen möchte, nichts zu Ohren gekommen. "Wir leben hier ganz ruhig und gut", sagt er.

"Was, wenn einer mit einer Waffe kommt?"

Trotzdem hat er jüngst um Polizeischutz für die Gemeinde gebeten und ihn auch für die nächste Zeit zugesagt bekommen – einmal wöchentlich, etwa zwei Stunden lang, während des Gottesdienstes, an dem rund 50 Menschen teilnehmen. Mashevskyy fühlt sich verantwortlich, will vorbeugen: "Was können die Leute machen, wenn einer mit einer Waffe kommt und in einer Minute alles kaputt macht? Man muss alles ausschließen." Dass die Synagoge videoüberwacht wird, empfindet er nicht mehr als ausreichend.

Die Mitglieder der Gemeinde melden sich derweil mit anderen Sorgen zu Wort. Sie erzählen von der knappen Rente, wollen wissen, warum eine Rolltreppe zur U-Bahn lange nicht repariert wurde und ob die Uhr am Rathausturm beleuchtet werden könnte. Jung reagiert erleichtert: "Das sind Probleme, wie sie alle Fürther haben." Er verspricht, manche Anliegen an die zuständigen Stellen weiterzuleiten und die Gemeinde zu unterstützen, sollte sie Antisemitismus erleben. Jung betont: "Es ist ein Geschenk für die Stadt, dass es eine aktive jüdische Gemeinde gibt."

 

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