Fürths OB ist erzürnt: Artenschutz bremst Radwegausbau
4.8.2016, 11:00 UhrEin „starkes Stück“, ein „ungeheuerlicher Vorgang“: Aus seiner Gemütslage machte Thomas Jung jüngst im Bauausschuss kein Geheimnis, seine Verärgerung ließ sich der Rathauschef gerne anmerken. Wenn Menschen aufs Rad steigen, diene das eindeutig der Natur, sagte er also. „Und dann sind es ausgerechnet die Umweltschützer, die das sabotieren.“ Zu erklären, dass es ihnen natürlich nicht ums Sabotieren gehe, war anschließend die Aufgabe der Grünen.
Was Jung missfällt: Der Naturschutzbeirat, dem unter anderem Vertreter von Naturschutzverbänden angehören, hatte entschieden, dass eine „spezielle artenschutzrechtliche Prüfung“ (saP) nötig ist, bevor die Verbreiterung des Pegnitztal-Radwegs in Angriff genommen werden kann. Der Weg, der entlang des Flusses Fürth und Nürnberg verbindet, ist angesichts der vielen Radfahrer, die ihn nutzen, längst zu schmal geworden.
Spätestens seit den gescheiterten Plänen für einen Stadion-Neubau in der Südstadt haben solche artenschutzrechtlichen Prüfungen in Fürth freilich nicht die größte Fangemeinde. Weil sie Projekte verhindern können, oft aber zumindest verzögern. Denn die Gutachter wollen sich zu verschiedenen Jahreszeiten ein Bild davon machen, ob geschützte Tierarten durch die Baumaßnahme ihren Lebensraum verlieren und Ausgleichsflächen geschaffen werden müssten.
Die Arbeiten am Radweg werden sich deshalb wohl ins nächste Jahr verschieben. „Eine Zumutung für die Radfahrer dieser Stadt“, klagt Jung. Dabei habe er ihnen doch versprochen, den Weg heuer auszubauen.
Die Prüfung erscheint ihm auch deshalb verzichtbar, weil die Baumaßnahme „alternativlos“ sei: Man könne sie ja nicht räumlich verlegen, der Weg müsse nun mal dort breiter werden, wo er sich befindet. „Was machen wir denn, wenn da ein Insekt gefunden wird?“ fragte Jung spöttisch. „Man könnte sich denken: Dann kann es ja 60 Zentimeter weitergehen, es ist ja genug Platz im Wiesengrund.“
Sehr sensibler Bereich
Dass der Ausbau erwünscht ist, stehe außer Frage, betonte Grünen-Rat Harald Riedel, der als städtischer Pfleger der Radwege die Verzögerung bedauert, aber zumindest Verständnis für die Entscheidung des Naturschutzbeirats hat. Dieser sei zu dem Ergebnis gekommen: „Wir können uns nicht über Recht und Gesetz hinwegsetzen.“ Die Stadt könne nicht auf eine Prüfung verzichten, die man in anderen Fällen von Bauträgern verlangt. Auch Riedel gibt zu bedenken, dass es mit Ausnahmen so eine Sache ist: Mal dränge ein Radweg, mal drängen Kindergarten- oder Arbeitsplätze. Der Talraum sei zudem ein sehr sensibler Bereich – und es gehe eben nicht „um so wenige Zentimeter“.
Eine exakte Planung gibt es noch nicht, aber der Weg soll etwa einen halben Meter breiter werden, teils auf der Seite zum Ufer hin, teils auf der Seite zu den Wiesen hin, wo sich Feuchtbiotope befinden – je nachdem wo es für die Natur erträglicher erscheint. Die Eingriffe betreffen den Schilfröhrichtbestand, den Uferbewuchs und Hecken, wie Jürgen Tölk, stellvertretender Leiter des Umweltamts, erklärt. Alten Baumbestand will man erhalten, deshalb wird man unter anderem auf Höhe des Pappelsteigs wohl auch eine Engstelle in Kauf nehmen. Während der Arbeiten wird zudem eine Trasse für Baufahrzeuge nötig sein.
Auch im Umweltamt hält man die Prüfung für notwendig und geht davon aus, dass sie eine Verbreiterung nicht verhindern wird. Ein frustrierter OB befand im Ausschuss, hier würden Normen über Menschen gestellt. „Ob das dem Geist der Normen entspricht, wage ich zu bezweifeln.“
Dietmar Most, Leiter des Stadtplanungsamts, zeigt sich diplomatischer: „Es ist schwer zu vermitteln, wenn umweltrechtliche Belange einer Maßnahme im Sinne der Natur im Weg stehen. Das sind eben die zwei Seiten einer Medaille.“
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