Im Freilandterrarium Stein gilt: Immer cool bleiben!
6.12.2018, 05:56 UhrMit beiden Händen schaufelt Günter Schirmer gelbe und dunkelrote Blätter auf die Seite. Bis ein Griff aus dem Laubhaufen hervorragt. Schirmer packt an und ein Schacht ist zu sehen. Darin verborgen sind zwei Kisten. Ein Schatz? Fast, zumindest für Schirmer, seit bald 20 Jahren Obmann des Freilandterrariums in Stein. In der Kiste überwintern Feuersalamander und Laubfrösche.
"Aber sie halten keinen Winterschlaf", erklärt Schirmer. Anders als Säugetiere verfallen die wechselwarmen Amphibien und Reptilien in eine Winterstarre. Ihr Körper passt sich der Außentemperatur an, "sie fahren sozusagen ihren ganzen Mechanismus fast komplett runter".
Problem mit Biorhythmus
Genau darin besteht die Gefahr, der die Tiere im Winter ausgesetzt sind: Fällt die Anzeige auf dem Thermometer unter null Grad, drohen sie zu erfrieren. Frost gilt es also zu vermeiden, sagt Günter Schirmer, zu hohe Temperaturen aber genauso, weil das den Biorhythmus der Tiere durcheinanderbringt, sie zu früh aus ihrer Winterstarre holen würde. In Stein gilt deshalb: Immer cool bleiben — aber Frost unbedingt vermeiden.
Im Winterdomizil der Laubfrösche und Feuersalamander funktioniert das: In dem steinernen Schacht ist die Quelle, die im Terrarium in den Herbstgraben mündet, eingefasst. Das ständig fließende Wasser hält Frost fern, die Temperatur aber konstant kühl. Vor allem aber ist die Umgebung feucht, "was vor allem Laubfrosch und Salamander lieben", die sich hier seit zehn Jahren wohlfühlen. In ihren üblichen Terrarien können sie nicht bleiben. Die stehen im Freilandterrarium und -aquarium auf Beinen, damit sie die Besucher — 2018 immerhin 30 000 — besser sehen können. Aber dort kriecht die Kälte von allen Seiten hinein.
Deswegen ziehen Äskulapnatter, Hornotter, Erd-, Kreuz- und Schildkröte um — unter das Dach des Verwaltungshauses auf der Nordseite. Dort, direkt unter dem First, stapeln sich Plastik- und Metallbehälter. Und eine riesige Truhe mit Laub, in deren Tiefe sich Landschildkröten verkrochen haben.
Günter Schirmer besprüht das Laub mit etwas Wasser, zu trocken soll es nicht werden, "aber auch nicht zu nass, damit das Laub nicht zu dicht wird, sondern luftig bleibt", sagt Schirmer. Auch wenn die Tiere ihre Körperfunktionen herunterfahren: Ein bisschen Luft benötigen sie doch.
Abtauchen im Weiher
Während die Reptilien, also die giftige Hornotter und die Äskulapnattern samt Nachwuchs, es eher trocken mögen, benötigen Amphibien Feuchtigkeit. In den Metallkisten von Erdkröten und Kreuzkröten ist das Moos fast nass. Nicht so nass allerdings wie das Winterquartier der Sumpfschildkröten: Die tauchen in ihre Weiher ab — und nehmen den wenigen Sauerstoff, den sie benötigen, über die Haut auch im Wasser auf.
Sie sind aber nicht die Einzigen, die ihr übliches Terrain nicht verlassen. Für Smaragd- und Perleidechsen, deren Terrarien an dem das Gelände umgebenden Hügel liegen, haben sich Schirmer und seine Kollegen vor Jahren etwas einfallen lassen — und kleine Rückzugsmöglichkeiten in die Anhöhe eingebaut. Die nutzen die Tiere. "Und wir müssen sie nicht mehr einfangen, das war mühsam."
Heuer verbringen erstmals auch die Kreuzottern ihren Winter draußen. Dank einer unter Granitplatten unsichtbaren Styroporbox samt Wärmeleitungen in Beton, die die Temperatur zwischen vier und sieben Grad Celsius halten. Günter Schirmer hofft durch seine Konstruktion auf Nachwuchs. Denn: Die Kreuzottern spitzen schon im Februar und März nach draußen, ehe im April Paarungszeit ist. Die haben sie bislang verschlafen.
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