Jüdische Filmtage in Fürth

26.2.2016, 11:00 Uhr
Jüdische Filmtage in Fürth

© Foto: Agora Films

Sven Kramer ist Professor für neuere deutsche Literaturwissenschaft und Literarische Kulturen in Lüneburg. Er führt ein in den Beitrag „Son of Saul“, den das Babylon heute um 19.15 Uhr mit deutschen Untertiteln zeigt; auch steht er anschließend für eine Diskussion zur Verfügung.

László Nemes’ ungarischer Spielfilm aus dem Vorjahr geht der Ruf voran, ein neues Kapitel in der Darstellung der Shoah aufgeschlagen zu haben. Im Mittelpunkt steht eine Gruppe jüdischer Gefangener, die im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im Oktober 1944 bei der Massentötung mithelfen muss. Der Ungar Saul Ausländer ist einer der Gefangenen; er überlässt die Leiche eines Jungen jedoch nicht den Flammen, sondern plant heimlich eine menschenwürdige Beerdigung.

Premiere hatte „Son of Saul“ in Cannes 2015. Er gewann einen Golden Globe und geht bei den Oscars in der Kategorie „bester fremdsprachiger Film“ ins Rennen. Die meisten Holocaust-Filme, so der Regisseur, gäben dem Zuschauer ein Gefühl der Sicherheit, weil sie vom Überleben handelten. „Wir wollten dagegen über die individuellen Bedingungen im Konzentrationslager und im Prozess der Vernichtung sprechen, ohne die Möglichkeit eines Ausblicks“, so Nemes im Interview mit der Jüdischen Allgemeinen.

Ein semi-dokumentarischer polnischer Film aus dem Jahr 1948, entdeckt 1979 und inzwischen vollständig restauriert, steht morgen um 19.30 Uhr auf dem Festivalprogramm — „Our Children“ von Nathan Gross ist die letzte Spielfilmproduktion aus Polen in jiddischer Sprache, das Babylon zeigt sie mit englischen Untertiteln. Gedreht wurde sie von und mit Holocaust-Überlebenden. Das Comedy-Duo Shimen Dzigan und Ysrael Szumacher spielt alle Rollen in einer Theaterinszenierung, das Publikum bilden Kinder, Überlebende auch sie.

Einführen und anschließend mit den Zuschauern im Babylon diskutieren wird die in München lehrende Historikerin Tamar Lewinsky. Sie promovierte über „Displaced Poets“ und war 2007 Projektkoordinatorin des Buches „Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945“.

Für beide Filme sind die Tarife dieselben wie für die Filme ohne Einführung und Diskussion: Zum Preis von 8,50/7 Euro gibt es Karten im FN-Ticket-Point (Breitscheidstraße 19, Tel. 2 16 27 77), und nur dort erhalten ZAC-Kartenbesitzer weitere 20 Prozent Rabatt.

Auf dem Freitags-Programm der 2. Jüdischen Filmtage Fürth stehen drei weitere Beiträge. Der preisgekrönte israelisch-deutsche Dokumentarfilm „Censored Voices“ (19 Uhr und Sonntag, 17 Uhr, im hebräischen Original mit deutschen Untertiteln) dreht sich um Interviews, die der Schriftsteller Amos Oz 1967 mit jungen Kibbuzniks führte; soeben waren sie vom Dienst an der Sechstagekriegs-Front zurückgekehrt. Unerwartet offen redeten sie über Zerstörung, Gräueltaten und Ängste. Einen Großteil der Tonbänder zensierte seinerzeit die israelische Armee. Die Soldaten von damals sind nun um die 70, Regisseurin Mor Loushy hat sie aufgesucht.

Von einer schwesterlichen Abhängigkeitsbeziehung erzählt Asaf Korman in „Next to Her“ (21 Uhr und Sonntag, 20.30 Uhr, mit englischen Untertiteln). Was passiert, wenn die geistig behinderte kleine Schwester in einer Tageseinrichtung plötzlich aufblüht — hier wird’s Ereignis dank des starken Spiels von Liron Ben Shlush und Dana Ivgy.

Bruno Ganz und Jürgen Prochnow gehören zum Ensemble von Atom Egoyans düsterem Rachedrama „Remember — Vergiss nicht, dich zu erinnern“, hier zu sehen in der deutschen Fassung (21.45 Uhr und Sonntag, 12.30 Uhr). Zev (Christopher Plummer) sucht einen Nazi aus seiner Vergangenheit. Ein Road Trip im Zeichen der Gerechtigkeit nimmt seinen Lauf.

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