Kann Fürth eine Smart City werden?

12.5.2018, 21:00 Uhr
Kann Fürth eine Smart City werden?

© dpa

Für ihre Anhänger ist die Smart City der Traum einer Zukunft, in der alles viel einfacher, schneller und besser geht. Das kennt man aus der Technik-Begeisterung der 1950er und 60er Jahre. Für ihre Verächter ist sie die Datenkrake, der Computer im Keller unterm Rathaus, der Bürger bis ins Privateste ausspioniert. Auch diese Angst hat ihre Tradition, sie reicht zurück bis Orwells „1984“.


Als das Rathaus im Februar die neuen Funktionen der Fürth-App vorstellte, fiel auch das Wort „Smart City“: Man sei auf dem Weg dorthin, weil die App inzwischen Wartezeiten in Ämtern und Verkehrsbehinderungen melden kann oder Nutzer noch besser verfolgen können, wie die SpVgg Greuther Fürth gerade spielt.


Was aber ist die Smart City nun wirklich? Wie ein kurzer Werbefilm beim Vortrag in der VHS zeigt, ist sie ein vielfach vernetztes System digitalisierter Werkzeuge, die bewirken, dass Energie nachhaltig, aber nicht verschwenderisch eingesetzt wird; ein System, das Verkehrsflüsse besser koordiniert, vor Staus warnt und einen Unfall augenblicklich meldet; das den Bürger auf Schritt und Tritt begleitet und ihn jederzeit mit Informationen versorgt. Wobei allerdings der Mensch nicht bloß der Empfänger all dieser Vorzüge, sondern selbst Teil des Systems ist. Um zu funktionieren, muss der Mensch ein Smartphone mit zig Apps tragen, seine Daten müssen Bestandteil der Datenflüsse werden.


„Bislang ist der Begriff ,Smart City‘ vor allem ein Schlagwort“, sagt Georg Glasze, Kulturgeographie-Professor an der Universität Erlangen. Ein Schlagwort, das Politiker, vor allem aber IT-Konzerne propagieren, um ihre Produkte an den Mann zu bringen. Um Energie wirklich effizient, also nicht verschwenderisch, einzusetzen, bedarf es einer Vielzahl von Informationen, damit die Verantwortlichen kalkulieren können, wann wo wie viel nötig ist. Der Grundgedanke: Wissen ist Macht.


In besseren Wohngegenden


Indes offenbart dieses System Lücken. Glasze demonstriert es an einem harmlosen Beispiel. In Boston melden erschütterungsempfindliche Sensoren im Smartphone jedes Schlagloch in der Straße, die Stadt wiederum ist bemüht, diese Löcher zu asphaltieren. Allerdings geschieht dies vor allem in den besseren Wohngegenden und den Zufahrten zur Innenstadt. Ärmere Viertel bleiben außen vor, weil dort weniger Menschen sich ein Auto oder Smartphone leisten können und deshalb weniger Meldungen von dort eintreffen.


Indien und China setzen ganz auf die Modernisierung, die die Smart City verspricht. Indien will sogar binnen weniger Jahre 100 Großstädte aufrüsten. Allerdings leben allein in der Stadt Pune 40 Prozent der Einwohner in „informellen Siedlungen“ – zu Deutsch: in Slums. Da diese Siedlungen wohl kaum digitalisiert werden, würde das bestehende technologische und soziale Ungleichgewicht in der Bevölkerung für die Zukunft zementiert und sogar verschärft.


Tatsächlich interessieren sich vor allem nicht-demokratische (Stadt-) Staaten wie Singapur, Dubai und China fürs Konzept der Smart City, um ihre Einwohner auszuspionieren und in Schach zu halten.


Und in der Demokratie? Da befürchten Georg Glasze und der Doktorand Christian Eichenmüller die „postpolitische Stadt“, deren Bürger von Politik frustriert sind und sich der Wirtschaft ausgeliefert sehen. Denn auch diese Entwicklung zeichnet sich ab: Die Steuerung und Überwachung von Daten liegt nach dem Aufbau nicht in den Händen der Stadtverwaltung, sondern der IT-Konzerne. Und diese wollen mit ihren Erkenntnissen Profit machen.
Glasze und Eichenmüller entwerfen drei Szenarien: die autoritär regierte Stadt in autoritären Regimen; die unternehmerische Stadt, deren Einwohner ihre Souveränität nicht an Volksvertreter, sondern an Konzerne delegiert haben; und die bürgerschaftliche Stadt, die „von unten“ die Dinge ins Rollen bringt und allerlei Schwachstellen offenlegt. Denn auch die Bürgerinitiativen wissen, sich Informationstechnologie zunutze zu machen.


Unverwundbar ist natürlich auch die Smart City nicht. Ein Hackerangriff hier, ein wohlplatziertes Bömbchen dort, und schon ist die gesamte Systemsteuerung hinfällig. Aber das ist ein eigenes Kapitel.

 

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