Lebensgefühl auf Rollen

29.06.2007, 00:00 Uhr
Lebensgefühl auf Rollen

© Rübekeil

Kitesurfer, Buttboarder, Streetluger oder Longboarder - sie alle haben eines gemeinsam: die Liebe zu den Brettern mit vier Rädern, gemeinhin bekannt als Skateboard. Rainer Sachrau fährt seit über 35 Jahren auf diese Fortbewegungsart ab und hat aus seinem Hobby mittlerweile sogar ein Geschäft gemacht; allerdings nicht ganz freiwillig, wie er erzählt.

Der Gold- und Silberschmied ist am liebsten auf Longboards unterwegs, die eine Länge von 90 Zentimeter bis zu zwei Metern aufwärts betragen können. Die langen Boards erinnern an die Anfangszeiten der Skater. Damals, in den 60er Jahren, wollten die Wellenreiter mit ihren Surfbrettern auch auf der Straße fahren und bauten sie zu diesem Zweck einfach um. Die Boards, die dabei entstanden, waren steif und schwer zu lenken. Erst später kamen die kürzeren, wendigen Bretter in Mode.

Um sein Longboard gelenkiger zu machen, ging Sachrau auf die Suche nach flexiblen Radachsen, die in Europa allerdings nirgends erhältlich waren. Erst in den USA wurde der Fürther fündig. Aus einer Einzelbestellung wurde schnell eine Geschäftsbeziehung. Heute ist der 43-Jährige europaweiter Hauptimporteur für diese Achsen und vertreibt seine Produkte vor allem übers Internet (www.longboarders.de).

Ums Geldverdienen geht es Sachrau nach eigener Aussage dabei nicht. Die Goldschmiede, die er gemeinsam mit seiner Ehefrau betreibt, erlaubt ihm beim Verkauf seiner Longboards und des Zubehörs eine großzügige Preisgestaltung. Sein Hauptziel, sagt er, ist es, «die Kids ans Rollen zu bringen». Und wenn ein siebenjähriger Knirps vor ihm steht und hoffnungsfroh einen Zehn-Euro-Schein in die Höhe reckt, drückt Sachrau bei den Preisen auch mal beide Augen zu.

Am liebsten würde der Fürther nämlich sein Hobby mit jedem teilen. Seinen großen Bruder hat er erst vor kurzem aufs Board gebracht. Der 48-Jährige, erzählt Sachrau, wollte gar nicht mehr absteigen, so begeistert war er. Entgegen landläufigen Meinungen sei man fürs Skaten nie zu alt. «Skateboardfahren lernt man am besten durchs Abgucken», erklärt der Goldschmied. Und die meisten, die es ausprobieren, bleiben auch dabei.

Dafür sorgt auch das vielfältige Angebot an Brettern in unterschiedlichen Längen und Ausstattungen, mit denen vom «Cruisen», dem gemütlichen Dahinrollen, bis zum «Downhill» und «Speed», bei dem Geschwindigkeiten bis zu 100 km/h erreicht werden, alles möglich ist.

Wie in Schokolade getaucht

Kitesurfer beispielsweise heben mit Hilfe eines Lenkdrachens vom Boden ab, Buttboarder schießen auf dem Hintern den Hang hinab, während ein Streetluger auf einem Zwei-Meter- Board mit sechs Rollen unterwegs ist.

Rainer Sachrau zählt sich zu den Cruisern. Mit leuchtenden Augen beschreibt er seine Glücksgefühle auf dem Longboard: «Als wenn du in Schokolade eingetaucht wirst und jemand an dir knabbert.» Die Bewegungen, so Sachrau, seien vergleichbar mit denen bei Tai Chi, dem chinesischen Schattenboxen - aus der Hüfte und dem Solarplexus, anregend und deshalb wohltuend für Organe und Nerven.

Longboards, findet Sachrau, seien auch besonders gut für erwachsene Wiedereinsteiger ins Skaten geeignet. Denn das Größenverhältnis des Kindes zum normalen Skateboard entspricht ziemlich genau dem eines Erwachsenen zum langen.

Worauf es bei der Auswahl des Boards ankommt und was man beim Fahren beachten muss, erläutert Sachrau im FN-Expertentipp:

Vor dem Kauf eines Brettes sollte man sich klar machen, was man sich davon erwartet. Je nach der Zielrichtung wird dann das Board ausgewählt - für Rampenfahrer ein kurzes, für Cruiser die lange Variante. Beim Longboard beträgt das Größenverhältnis vom Brett zum Körper normalerweise 2:3.

Wer sparen will, kann seinen Rohling selbst gestalten, entweder bemalen und lackieren oder mit Transferfolie bekleben. Auch mit dem Griptape, das den Schuhen Halt gibt und zum Schluss aufgeklebt wird, kann man ein Oberflächendesign entwerfen.

Der Radabstand bestimmt das Fahrgefühl. Man kann mehrere Löcher bohren und die Räder je nach Laune umsetzen. Gute Schrauben erleichtern die Arbeit.

Wert auf Qualität sollte man auch bei den Rollen und Radachsen legen. Je besser sie gebaut sind, desto leichter laufen und lenken sie.

Komplette Longboards gibt es ab 130 Euro aufwärts. Wer sein Brett selbst gestalten will, ist schon viel günstiger dabei. Für die Schutzkleidung, auf die niemand verzichten sollte, rechnet man 15 bis 20 Euro.

Die meisten Unfälle passieren auf stehenden Brettern. Wenn man falsch aufsteigt, kann das Board unter einem urplötzlich losrollen, man verliert den Halt und stürzt.

Eine weitere Gefahr besteht darin, dass der Skater sein Können überschätzt und schnell fährt, ohne sein Gerät richtig zu beherrschen.

Auch das Bremsen will gelernt sein. Ein Anfänger sollte auf einem großen Platz oder einer verkehrsberuhigten Straße üben.

Skaten schult den Gleichgewichtssinn und das Körpergefühl. Nicht nur die Beinmuskulatur wird beansprucht, der ganze Körper wird trainiert. Und das Schöne ist: Man bekommt trotzdem keinen Muskelkater.