Letzte Wünsche
31.8.2014, 06:00 UhrUm ihre Patienten zu besuchen, sind Dr. Ulf Prudlo und Claudia Reimer – er ist Arzt, sie Krankenpflegerin – im ganzen Krankenhaus unterwegs; ändern wird sich das erst, wenn endlich auch das Fürther Klinikum eine eigene Palliativstation bekommt. Noch sind die Menschen, um die sich das Team kümmert, auf verschiedenen Stockwerken, in verschiedenen Fachkliniken verteilt. Es sind Patienten, die damit zurechtkommen müssen, dass ihre Krankheit fortgeschritten ist und Ärzte keine Heilungschancen sehen. Denen womöglich ganz deutlich gesagt wurde: „Bei Ihnen ist nichts mehr zu machen.“
„Wenn ein Arzt so etwas sagt, dann ist da noch viel zu machen“, sagt Ulf Prudlo und zählt auf: Schmerzen können gelindert, Ängste genommen werden; Angehörige können unterstützt werden, und manch inniger Wunsch kann vielleicht noch erfüllt werden.
Der Umgang mit Krankheiten ändert sich, wenn Heilung nicht möglich scheint. Prudlo, der Internist und Palliativmediziner ist, nennt ein Beispiel: Leidet ein Patient an Hodenkrebs, liege die Chance, ihn zu heilen, bei 98 Prozent. Der Mann wird daher mit einer aggressiven Chemotherapie behandelt. Es wird ihm in dieser Zeit schlecht gehen, sagt Prudlo, doch das nimmt man in Kauf.
Ein Krebspatient dagegen, der als unheilbar krank gilt, wird eine sanftere Chemotherapie bekommen: Sie soll die Krankheit bremsen, den Körper aber nicht zu stark belasten. „Man möchte den Lebenszustand möglichst hochhalten.“ Müssen Palliativpatienten stationär behandelt werden, sei es das Ziel, ihnen die Symptome schnell zu nehmen und sie wieder in die gewohnte Umgebung zu entlassen: „Jeder Tag außerhalb der Klinik ist ein gewonnener Tag.“
Die Zeit in der Klinik nutzen Prudlo und Reimer nicht nur für die medizinischen Behandlung, sondern auch für Gespräche mit den Patienten und Angehörigen. Wie geht es nach dem Krankenhausaufenthalt weiter? Wer kümmert sich zuhause, wenn es dem Kranken schlecht geht? Wie viel Lebenszeit bleibt? Was ist zu regeln? Und: Was will einer unbedingt noch erleben?
Die Erfahrung des Arztes: Die meisten nehmen ihre Krankheit im Lauf der Zeit an, machen sich mehr Sorgen um die Angehörigen als um sich selbst und versuchen, die verbleibende Zeit noch mit viel Freude zu füllen.
Einmal noch ins Bibertbad – das habe sich vor kurzem ein schwerstkranker Patient gewünscht. Prudlo stand am Beckenrand, als der Mann, der „jahrelang jeden Tag in dem Bad war“, noch einmal ins Wasser tauchte. „Eine Woche danach ist er friedlich gegangen.“ Einen anderen Patienten haben sie jüngst – wenige Tage, bevor er starb – noch einmal nach Hause gebracht. Er wollte seinen Garten, seine Aquarien noch einmal sehen, saß mit der Familie zusammen. Der kurze Ausflug sei anstrengend für den Mann gewesen, aber sehr beglückend. „Die Menschen zehren von solchen Erlebnissen“, sagt Reimer.
Viele Menschen verbinden das Wort Palliativmedizin mit Sterbebegleitung. Aber das sei nur ein Teil der Aufgaben: „Wenn’s ums Sterben geht, gehen wir nicht weg.“ Doch Prudlo und Reimer geht es auch um die Zeit davor: Leider würden sie von Ärzten „oft noch viel zu spät hinzugezogen“.
Einschneidendes Erlebnis
In seiner Biografie, sagt der 44-jährige Arzt, liege wohl der Grund, warum er Palliativmediziner geworden sei: Er war zwölf oder 13, als er zusammen mit seiner Mutter seine Oma „begleitet“ habe. Nach dem Abitur arbeitete er in einem Altenheim, bevor er Medizin studierte. Den Palliativ-Medizinischen Dienst am Klinikum – nicht zu verwechseln mit dem Fürther Palliativ-Care Team, das sich ambulant um Sterbenskranke kümmert – hat er aufgebaut. Seit 2011 gehört der Dienst offiziell zum Leistungsspektrum des Klinikums. Zunächst übernahm Prudlo die Aufgabe allein, seit 2013 unterstützt ihn Claudia Reimer, eine weitere Pflegekraft soll bald dazukommen. Das Team arbeitet eng mit Kollegen zusammen, etwa mit Atemtherapeuten, Ernährungsberatern, Ergotherapeuten und Seelsorgern.
Ihre Patienten besuchen Prudlo und Reimer „fast werktäglich“, sagen sie. Im vergangenen Jahr haben sie mehr als 450 Patienten über mehr als eine Woche betreut, dazu 200 ein- bis zweimal. Mit diesen Patienten wäre eine Palliativstation mit zehn Betten, die seit längerem geplant ist und 2015 eröffnet werden soll, „schon überbelegt“, so Prudlo.
Dass eine Palliativstation längst überfällig sei, meint auch Dr. Roland Hanke, Ärztlicher Leiter des Palliativ-Care Teams, das die Patienten betreut, wenn sie wieder zuhause sind. Selbst viele kleinere Kliniken in Bayern haben längst solche Stationen.
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