Licht verändert alles
17.6.2016, 21:00 UhrDie Überwachungskamera am Eingang ist strategisch günstig angebracht. Kann man wirklich nicht anders sagen. Das Ding hat alles im Blick. Allerdings erübrigt sich in diesem Fall die Frage, wer um alles in der Welt die eingefangenen Bilder auswerten und prüfen soll. Hier werden keine Aufnahmen gemacht, es wird nichts aufgezeichnet. Das formschöne Objekt von Franz Janetzko ist ein Zitat aus unserem omnidurchschauten Alltag, ein diskret ironischer Wegweiser in eine Schau, die sich – und das ist der eigentliche Witz – sehr wohl auch um Fotos dreht.
Günter Derleth ist in der Badstraße mit Janetzko im Boot. Eine Kunst-Beziehungs-Kiste, die auf sehr elegante Art und Weise angebahnt wurde. „Natürlich kennen wir uns schon lange“, sagen die beiden Künstler. Trotzdem, versichert Derleth, sei er erstaunt gewesen, als er eine Ausstellung des Kollegen besuchte und dort unvermutet ein ihm unbekanntes Objekt entdeckte: „Das war so eine Kiste mit einer kleinen Öffnung und daran stand ein Schild mit dem Hinweis: ‚Kamera für Derleth‘.“
Jetzt ist der Camera-obscura-Könner keiner, der eine solche Steilvorlage ungenutzt verstreichen ließe. Mit insgesamt vier von Franz Janetzko erdachten und gebauten Lochkameras ging der 75-Jährige ans Werk. Apparate und Bilder sind nun in der Badstraße 8 zu sehen.
Janetzko griff für seine bildgebenden Kisten jeweils zu Grobspanplatten, deren Oberflächen eine ebenso reizvolle wie zufällige Optik mit sich bringen. Zwar kommt jeder Apparat in denkbar reduzierter Kastenform daher, doch individuelle Anmutungen wecken beim Betrachter Erinnerungen an Vertrautes. So scheint es sich bei den Objekten plötzlich um Vogelhäuser, Koffer oder historische Plattenkameras zu handeln. Ein Spiel mit Erwartungen, zu dem Günter Derleth überraschende Aussichten beisteuerte, in dem er Fotopapier hinzufügte – und Licht („Denn das verändert alles“).
So entstanden Bildserien wie die Abfolge von Baumporträts. Janetzkis Arbeit kommt hier in zweifacher Hinsicht mit ins Spiel – einem Spundloch gleich ist die Lichtöffnung im Holz mit zum Motiv geworden. Verblüffend eine andere Folge von Gartenmomenten: Sie schillern in irisierenden Farbtönen. Der Effekt ist langer Belichtungszeit von bis zu drei Monaten zu verdanken, die statt eines schwarz-weißen ein farbiges Negativ entstehen lässt.
In Kreisform
Entschieden kürzer, nämlich jeweils zwei bis zehn Minuten, wurden 18 Arbeiten in Kreisform belichtet, die wieder Gartenszenen zeigen und dabei an die Anfänge der Fotografie erinnern. Auf eine absichtslose Art poetisch sind diese Aufnahmen. Sie spiegeln die Stimmung wider, die sich an einem Sommernachmittag einstellt, wenn einer durch halb geschlossene Augenlider blinzelt, um zu schauen, ob der Kuchen auf dem Tisch steht . . .
Planen lässt sich bei dieser Form der Fotokunst exakt: nichts. Die Belichtungszeit ergibt sich „aus dem Bauch heraus“, sagt Derleth. Dazu gesellt sich freilich sehr viel Erfahrung. In Ermangelung eines Suchers bleibt das Motiv ein Glücksfall. Der Lichtbildner macht klar: „Man muss die Kontrolle aufgeben.“ Das ist diesmal wirklich kein Verlust.
In verwandte Sphären geleitet Franz Janetzko mit anderen Arbeiten, die er zu dieser Schau mitgebracht hat. Er hat Räume in Holz oder Beton gebaut. Handlich im Format, unendlich in ihrem Fassungsvermögen. Erobern lassen sie sich nur mit Blicken. Ein intimer Vorgang, der nur jeweils einem einzigen Zuschauer möglich ist. Was er beim Linsen durch schmale Lücken im Objekt erkennt? Mit Sicherheit genau das Richtige.
Vorsicht, Kamera! Objekte, Kameras, Fotos, bis 10. Juli im Kulturort Badstraße 8. Vernissage 17. Juni, 19 Uhr. Einführung Carla Orthen.
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