Mit.Menschen Podcast
Mecnun Giasar - ein Fürther Tänzer über seine Arbeit mit Weltstars
29.10.2020, 06:53 Uhr
Singapur, Tokio, Mexico City, Dubai oder Los Angeles - Mecnun Giasar ist kaum mehr in seiner Heimat, da, wo er 1993 das Licht der Welt erblickte: in Fürth. Als zweites von fünf Kindern wurde ihm das musikalische und tänzerische Gen quasi in die Wiege gelegt. Der Vater Sänger und Musiker, der ältere Bruder Tänzer. Der 27-Jährige nennt sich selbst ein "Problemkind", das oft weglief, rebellierte und nach der 7. Klasse die Schule abbrach. Der gesellschaftliche Druck, einen Schulabschluss zu machen, nagte an ihm, auch die Eltern machten sich Sorgen um den Jungen. "Ich wusste mein Leben lang, was ich sein möchte. Tanzen ist meine Wahrheit. Das wussten meine Eltern und sie haben es schließlich akzeptiert", sagt Mecnun Giasar heute.
Vom Fürther Jugendzentrum auf die große Bühne
Als Mecnun Giasar in die Redaktion der Nürnberger Nachrichten kommt ist er ganz in Schwarz gekleidet, goldene Brille, Ringe, Chanel-Handtasche - er fällt auf. Noch nie hat er so ausführlich über seine Karriere geredet wie im Podcast Mit.Menschen. Für ihn ist die Podcast-Aufnahme in seiner Heimat etwas besonderes, für die er extra seinen Assistenten Lorenzo mitgebracht hat, der das Gespräch filmt - es soll Teil einer Dokumentation über den Menschen Mecnun Giasar werden. Für ihn ist das Interesse an seiner Person nicht selbstverständlich. Giasar hat sich seine Karriere von ganz unten aufgebaut.
Angefangen hat alles im Fürther Jugendzentrum Catch Up. "Die Erzieherinnen und Erzieher dort haben mir alles ermöglicht, mir den Weg meiner Karriere geebnet", erzählt Giasar im Podcast Mit.Menschen. Stundenlang probte er in den Räumen des Jugendhauses, hörte die Musik der 90er Jahre R'n'B und Hip-Hop-Größen, wie Destiny's Child und Missy Elliott in Dauerschleife. "Ich wusste immer, ich muss mich ausdrücken. Sei es mit Tanz, Kunst oder Musik", sagt er.

An seinen ersten großen Auftritt kann er sich noch genau erinnern: Die fränkische Meisterschaft im Jahre 2003, da war er gerade mal zehn Jahre alt - er gewann sie prompt. Mit seinen zwei besten Freundinnen fuhr er in den folgenden Jahren als Team zu sämtlichen Meisterschaften - sie landeten immer auf dem Podest. Die deutsche Tanzszene wurde bald auf den kleinen Mecnun mit den weiten T-Shirts und Baggypants aufmerksam. Er tanzte sich seinen Weg nach oben. Aus der fränkischen wurde die deutsche Meisterschaft, mit 14 schaffte er es schließlich zum Tanzwettbewerb "HipHop International", der Weltmeisterschaft in Las Vegas.
Mittlerweile hat er die Seiten gewechselt und sitzt dort wie auch bei der Tanz-Show "World of Dance", bei der auch Jennifer Lopez mitwirkt, als Juror in der Jury. Durch Social-Media wurden auch Megastars der Tanz-, und Musikbranche auf ihn aufmerksam - Sängerin Rihanna folgt ihm seit einiger Zeit auf Instagram. Aktuell steht Giasar für zukünftige Projekte in Kontakt mit ihr und ihrem Management. Mit der Luxusmarke Louis Vuitton, US-Sängerin Becky G und dem Rapper Duckwrth konzipierte er bereits Shows.
Ein Höhepunkt seiner Karriere war ein Auftritt im Londoner Wembley-Stadion mit der südkoreanischen Boygroup BTS. "In meiner Umkleide hing ein Bild von Freddy Mercury und seinem legendären Auftritt in Wembley. Das ist Wahnsinn, wenn man dort selbst auf der Bühne steht", sagt er. Bei dem ganzen Erfolg könnte man natürlich meinen, Giasar sei abgehoben, von der weltweiten Anerkennung geblendet - doch Fehlanzeige. Er ist ein freundlicher Mensch, der den Kontakt mit Menschen sucht, ihnen zuhört und versucht, Positivität auszustrahlen.
"I'm a refugee too"
Tanzen ist für Giasar eine Art von Kommunikation, mit der er sich ausdrücken kann. "Wenn es einem nicht gut geht, redet man mit einem Freund. Ich rede mit der ganzen Welt", sagt er. In seinen Tanz-Performances thematisiert er auch politische Themen. 2019 veröffentlichte er die Dokumentation "Yacht - The boat of life", in der er sich künstlerisch mit den Menschen und Familien auseinandersetzte, die zu Tausenden mit Schlauchbooten vor den Küsten im Mittelmeer Schutz und eine bessere Zukunft suchen. Für ihn ist es auch eine Auseinandersetzung mit seiner eigenen Geschichte und Identität.
Seine Eltern stammen aus einem kleinen Dorf in Griechenland, das vor dem Krieg in den Jahren 1919 bis 1922 geographisch zur Türkei gehörte. "I'm a refugee too", Ich bin auch ein Geflüchteter, sagt er gleich zu Beginn des Filmes. Mit der Doku will er zeigen, "was es bedeutet, diesen langen Weg der Flucht auf sich zu nehmen", so Giasar. Weniger Diskriminierung und Hass, mehr Respekt und Verständnis wünscht er sich von der Gesellschaft.
In über 46 Ländern trat er bislang auf, von den USA über Südamerika bis Neuseeland. Eine Strichliste führt er in Form von Tattoos auf seinem Oberkörper. Die meiste Zeit im Jahr reist er quer durch die Welt, pendelt zwischen Flugzeug, Hotel und der Heimat. "Manchmal wache ich im Flugzeug auf und weiß nicht, wohin ich fliege", sagt er. Das Alleinsein gehört für ihn seit seiner Jugend dazu. Es ist ein hoher Preis, den er für seinen Erfolg zahlt. "Je älter ich werde, umso schwieriger wird es für mich, Geburtstage, Familienfeiern oder Hochzeiten zu verpassen", gesteht er. Heimat sei für ihn der Ort, wo seine Familie lebt. Regelmäßig kommt er also zurück nach Fürth und genießt die Vorzüge des eigenen Betts, des eigenen Kleiderschranks und "natürlich das Essen meiner Mama", sagt er und lacht.
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