Nach dem Hype: Wer sucht eigentlich noch Pokémon?
13.9.2017, 06:00 Uhr"Ja, es gibt uns noch", sagt Johannes Braier, den man im Business-Outfit mit Smartphone in der Hand durch die Fürther Innenstadt laufen sieht. Der 35-Jährige trifft sich häufig in der Mittagspause mit seiner Frau und einem Arbeitskollegen, um sich auf die Suche nach den kleinen Monstern zu machen.
Mit Hilfe der Kamerafunktion werden die virtuellen Wesen bei Pokémon Go auf dem Smartphone mitten in der tatsächlichen Umgebung angezeigt. Viel hat sich seit der Veröffentlichung des Spiels verändert: Mit den fallenden Temperaturen nahm zunächst auch das Interesse am Jagen der Pokémon im Winter spürbar ab. Zwar sorgte der Entwickler Niantic mit der 2. Generation, bei der dem Spiel 80 neue Monster hinzugefügt wurden, im Februar kurzzeitig für einen erneuten Hype, dieser hielt sich aber nur sehr kurz.
Neue Idee fruchtet
Trotz der Neuerungen wurde die Zahl der aktiven Spieler immer geringer. Bis am 22. Juni die "Arenen" überarbeitet wurden. Durch das Update sind die Spieler verpflichtet, sich zu verabreden und so gemeinsam einen sogenannten "Raid-Boss", ein besonders starkes Pokémon, das zeitweise in einer virtuellen Arena erscheint, zu besiegen. Diese neue Idee von Niantic scheint zu fruchten.
Auch Johannes Braier verabredet sich häufig über soziale Netzwerke wie Facebook oder WhatsApp mit anderen Spielern zu Kämpfen. Bei den Treffen geht es ihm zufolge ausschließlich um Pokémon, echte Freundschaften sind noch nicht entstanden. Am 22. Juli wurden dann auch noch die "legendären" Pokémon in das Spiel eingebaut. Man kann sie nicht in freier Wildbahn antreffen, sondern nur gemeinsam in "Raid-Kämpfen" besiegen und so die Möglichkeit bekommen, sie zu fangen.
Neuer Teamgeist
Dafür werden allerdings zwischen fünf und zehn Pokémon-Jäger benötigt, die gleichzeitig das sehr seltene Pokémon bekämpfen. In den kleinen Dörfern im Landkreis ist es nahezu unmöglich, eine solche Menge an Spielern zum gleichen Zeitpunkt an einen Ort zu bekommen. In der Stadt sieht das schon ein bisschen anders aus: Gerade abends nach der Arbeit und vor allem am Wochenende treffen sich immer wieder Gruppen in Fürth, um den Kampf gegen die Pokémon aufzunehmen. Der harte Pokémonspieler-Kern ist also nach wie vor am Sammeln und Jagen. "Das Durchschnittsalter der Spieler ist deutlich höher, als ich gedacht hätte", stellt Braier erstaunt fest.
Er hatte mit vielen Studenten gerechnet, die mit den kleinen Monstern auf dem Gameboy aufgewachsen sind. Dass aber auch ältere Generationen, zum Teil sogar einige Rentner, das Spiel mögen und es als Motivation zum Spazierengehen nutzen, überrascht ihn sehr. Fast täglich treffen sich Mitglieder aus der WhatsApp–Gruppe "Rosengarten", um im Stadtpark gemeinsam zu spielen. Dort gab es nach der Veröffentlichung des Smartphone-Spiels die größten Probleme in Fürth.
Von Anfang an war der Stadtpark ein beliebtes Ziel für die Pokémon-Jäger, da dort besonders viele der Monster zu finden sind. Deshalb machten es sich vor einem Jahr plötzlich auffällig viele junge Menschen im Rosengarten bequem – ausgestattet mit Snacks und Getränken. Die Folge: Die städtischen Mitarbeiter kamen dort mit dem Leeren der Mülleimer nicht hinterher, sodass Pizzakartons und anderer Müll in den Beeten und auf den Wegen liegen blieben. Zudem wurden etliche Rentner, die sich dort sonst sehr gerne aufhielten, von den Spielern verdrängt. "Beschwerden gab es zuletzt vor einem halben Jahr", sagt Gerhard Vogel, Leiter des Grünflächenamtes in Fürth. Seitdem habe man keine Müllprobleme und auch keine Klagen von Anwohnern mehr bekommen.
Irritierte Trauergesellschaft
Für Wirbel sorgte das Spiel in vielen Städten. Die bayerische Schlösserverwaltung forderte die Betreiberfirma schließlich auf, an bestimmten Sehenswürdigkeiten von München bis Würzburg keine Monster mehr zu platzieren. Und nachdem auf dem Fürther Friedhof auf einmal ein junger Mann mit Smartphone in der Hand inmitten einer Trauergesellschaft stand und sich suchend umsah, beschloss auch die Friedhofsverwaltung, die Firma zu kontaktieren.
Der große Hype ist inzwischen vorbei, trotzdem ist der Smartphone-Hit noch lange nicht abzuschreiben. "Pokémon Go sollte auch in zehn Jahren noch da sein", sagt John Hanke, der Macher des Spiels. Allein im ersten Jahr generierte Pokémon Go einen Umsatz von über einer Milliarde Euro. Zurzeit veranstaltet der Entwickler Niantic auf der ganzen Welt verschiedene Veranstaltungen, bei denen man zum Beispiel besondere Pokémon fangen kann.
Und diese Treffen finden großen Anklang. In Chicago fand das erste mit über 20.000 Besuchern statt, in Yokohama in Japan waren über sieben Tage verteilt sogar zwei Millionen Spieler vor Ort. Auch in Deutschland starten solche Events bald. Das erste geht am 16. September in Oberhausen über die Bühne. Die 4000 Tickets waren innerhalb von zehn Minuten vergriffen.
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