Pflegekräfte-Einrichtungen suchen händeringend Personal
12.6.2019, 06:00 UhrChristina John weiß genau, wie begehrt ihre Absolventen in diesen Tagen sind. 120 bis 140 frisch gebackene Pflegefachhelfer und Altenpfleger verlassen jährlich die Hans-Weinberger-Akademie in Fürth, die John leitet. Sie sagt: "Da ist niemand dabei, der keine Stelle findet."
Für die Berufsanfänger eine komfortable Situation, doch für Arbeitgeber tut sich ein Abgrund auf: der viel zitierte Fachkräftemangel. Zahlen aus der Arbeitsagentur Fürth verdeutlichen das Ausmaß der Misere.
Den durchschnittlich 37 offenen Stellen, die Träger aus der Pflegebranche im vergangenen Jahr gemeldet hatten, standen nur sieben arbeitslose Frauen und Männer mit einem anerkannten Berufsabschluss gegenüber. Eine offene Stelle neu zu besetzen, dauerte im Schnitt 145 Tage.
In der Kranken- und der Altenpflege werden zusätzliche Arbeitskräfte benötigt. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird sich Schätzungen zufolge bis zum Jahr 2030 auf 3,4 Millionen und bis 2050 auf 4,5 Millionen erhöhen. Schon jetzt arbeiten immer mehr Menschen in der Branche. Zehn Prozent mehr als noch vor vier Jahren sind es nach Angaben der Arbeitsagentur. Im selben Zeitraum verringerte sich die Zahl der Arbeitslosen mit entsprechender Berufserfahrung oder Qualifikation um elf Prozent. Die Schere zwischen Bedarf und Angebot klafft immer weiter auseinander.
Bei der Diakonie in Fürth erlebt man das jeden Tag schmerzlich. Sechs Stellen in der Pflege müssen derzeit unbesetzt bleiben, weil es an Bewerbern fehlt. "Die Lage ist fast schon dramatisch", klagt Diakonie-Vorständin Ruth Papouschek. Obwohl die Diakonie einiges versuche, um Personal zu gewinnen. Neben der Präsenz in einschlägigen Stellenportalen – auch überregional – werbe man unter anderem in öffentlichen Bussen, am Schwarzen Brett von Supermärkten und auf einem eigenen Dienstwagen. Meist vergeblich.
Papouschek räumt durchaus ein, dass auch die hohen Ansprüche Teil des Problems sind, sie wolle eben nicht Hinz und Kunz einstellen. Wenn es darum gehe, Verbände zu wechseln oder Medikamente zu verabreichen, brauche es gelernte Fachkräfte. Natürlich seien auch Menschen aus Osteuropa oder Geflüchtete willkommen, die Lücken zu schließen – aber nur, wenn sie eine Ausbildung aufweisen können.
Manchmal beiße sich die Katze dann in den Schwanz. Ein Mann aus Eritrea, gut integriert, arbeite schon seit zwei Jahren als einfacher Pflegehelfer. Die Diakonie würde ihm gern eine Ausbildung ermöglichen, darf das aber nicht. Dem Asylbewerber fehle immer noch die Anerkennung.
Auf jeder Station fehlen ein bis zwei Kräfte
In der Krankenpflege sieht es ähnlich düster aus. Am Klinikum Fürth hat sich die Lage drastisch verschärft. 2018 hatte man es dort dank neuer Akquise-Modelle als eines der wenigen Krankenhäuser geschafft, fast alle Stellen zu besetzen. Unter anderem warb man Fachkräfte in Serbien, Albanien und Bosnien an, die in ihren Heimatländern – auch sprachlich – gezielt auf den Einsatz in Deutschland vorbereitet wurden.
Doch dass der Gesetzgeber zum Jahreswechsel erstmals Untergrenzen fürs Pflegepersonal in Kliniken festgelegt hat – eine an und für sich positive Maßnahme –, habe für "massive Verschiebungen auf dem Markt" gesorgt, sagt Oliver Riedel. Die Situation am Fürther Klinikum: Pro Station seien derzeit ein bis zwei Planstellen unbesetzt, was das vorhandene Personal extrem belaste. Es dauere gut sechs Monate, eine Stelle zu besetzen, so der Pflegedirektor – auf Anzeigen, auf die sich früher 20, 30 oder 40 Menschen gemeldet hätten, bewerben sich jetzt: null. "Der Markt", sagt er, "leert sich mehr und mehr."
Es müssten einfach noch mehr Menschen den Weg in den Beruf finden. Übers Geld? "Ich glaube nicht, dass jemand diese Entscheidung trifft, nur weil er 100 Euro mehr bekommt", so Riedel. Man müsse in der öffentlichen Wahrnehmung die positiven Seiten des Berufsbilds stärker in den Vordergrund rücken.
Auch Ruth Papouschek sagt: "Wir müssen den gesamten Berufsstand aufwerten, am besten das gesamte System." Die Politik sei gefordert, Skandinavien ein gutes Vorbild.
Schulleiterin Christina John bemerkt, dass die Träger schon jetzt viel Zeit und Geld ins eigene Personal stecken, etwa in die Fortbildung. Ein guter Ansatz, findet sie, gibt sich aber keinen Illusionen hin: Eine Schieflage, die über Jahre entstanden ist, brauche auch lange Zeit, um wieder beseitigt zu werden.
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