Ragazza trifft Donna: "Nur Kinder, Küche, Kirche"

12.8.2019, 10:10 Uhr
 Ragazza trifft Donna:

© Foto: Tim Händel

Franca Rame (1929–2013), die Ehefrau des großen Autors Dario Fo, hatte zusammen mit ihm der unheiligen K-Dreifaltigkeit ein Monodrama in vier Akten gewidmet. Seit der Uraufführung 1977 sind gut zwei Generationen herangewachsen. Wie aktuell, wie veraltet präsentiert sich das Stück heute?

Esther Sambale übernimmt die Inszenierung, wie sie Brigitte Döring selig vor neun Jahren in der Kofferfabrik aufführte, und aktualisiert sie mit der Theaterwerkstatt ganz behutsam. Das Stück selbst besteht aus vier Monodramen von je einer halben Stunde Dauer. Eine Frau allein steht auf der spartanisch eingerichteten Bühne und spricht mit einem unsichtbaren Gegenüber. Das kann ihr Freund oder Geliebter sein, eine Nachbarin, vielleicht auch ein Phantom. Wichtigstes Requisit ist eine Couch, Fluchtburg wie Schlachtfeld der leidgeprüften italienischen Frau.

Revolutionäre Schwangerschaft

Gleich in der ersten Szene – "Wir haben alle die gleiche Geschichte" – schlägt die körperliche Liebe in eine archaisch-brutale Inbesitznahme der Frau durch den Mann um. Jedenfalls sieht es so die revolutionäre Aktivistin (Sarah Adler), die somit schon wieder ungewollt schwanger wird und nun Biologie und Marxismus auf einen Nenner zu bringen versucht.

Dem folgt die Untersuchung beim Frauenarzt und der Entschluss, diesmal das Kind zu behalten. Aber nicht als Akt der Unterwerfung, sondern als revolutionäre Tat. Wirklich? Humor der schwärzesten Sorte versprüht "Eine Frau allein". Hier unterhält sich Esther Sambale als bügelnde Hausfrau auf dem Balkon mit der Nachbarin gegenüber und plaudert aus ihrem Leben.

Vom eifersüchtigen Mann eingesperrt und mit Kontrollanrufen überwacht, vom Kind angequengelt, vom invaliden Schwager begrapscht, vom Spanner gegenüber begutachtet, von Telefonsexisten mit zweifelhaften Komplimenten überschüttet und von einem unreifen Verehrer angehimmelt, zerreißt sich die arme Frau in einer immer rasanter purzelnden Abfolge von Zumutungen, bis sie zur Flinte greift und für tabula rasa sorgt.

Vielleicht hilft ein Leben allein? Nicht unbedingt. In "Das Erwachen" kämpft sich eine alleinerziehende Mutter am Rande des Nervenzusammenbruchs (wieder Esther Sambale) auf der Suche nach dem Hausschlüssel durch das Chaos ihrer Wohnung und ihres Lebens und offenbart so eine komplette Desorientierung.

Erst der Schluss – "Zwiegespräch für eine Stimme" – verspricht einen Lichtstreif am Horizont. Hier gibt sich ein Mädchen (Samantha Lerch) ihrem Geliebten hin. Allerdings zuhause, in nächster Nähe zum eifersüchtig behütenden Vater und Padrone. "Psst! Ich glaube, da war was! Hast du nichts gehört?"

Verführung mit Bluff

Mit solchen Unterbrechungen bereitet der Liebesakt (Fo und Rame kennen sich im "Decameron" gut aus) gleich doppeltes Vergnügen. Umso mehr, als sich am Ende die Überwachung als Bluff herausstellt, das Mädchen ihren Galan also an der Nase herumführt.

Das macht auch heute noch viel Spaß, offenbart aber auch eine gewisse Zeitgebundenheit. Ist "Nur Kinder, Küche, Kirche" deswegen veraltet? Leider nein! Allen Aufklärungsaktionen und Theaterstücken zum Trotz leiden auch hierzulande immer noch manche Frauen und Mädchen unter dem althergebrachten Patriarchalismus.

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