Riskantes Streben nach Selbstoptimierung

3.1.2019, 16:00 Uhr
Riskantes Streben nach Selbstoptimierung

© Foto: Mark Johnston

Während es im Spitzensport strenge Doping-Kontrollen und detaillierte Statistiken über unerlaubte Einnahme leistungssteigernder Mittel gibt, fehlt der deutschen Wirtschaft im Gegensatz zu Unternehmen in Nachbarländern nach den Erkenntnissen des 63-jährigen Drogenfahnders im Ruhestand noch weitgehend jedes Problembewusstsein. Was dazu beiträgt: "Drogenmissbrauch am Arbeitsplatz gab es immer schon", sagt Franz Horst Wimmer. "Aber nicht als ein so großes Massenphänomen."

Drei Millionen Beschäftigte nehmen nach den Recherchen des Fürthers derzeit leistungssteigernde Medikamente ein. Aber auch Schmerzmittel, Schlaf- und Beruhigungsmittel. Rund 1,5 Milliarden Arzneimittelpackungen jährlich würden zu diesem Zweck konsumiert. Die Hälfte davon sei rezeptfrei. Und gerade dieser frei verfügbare Bereich weise die stärksten Zuwachsraten auf, erklärt Wimmer.

Neue Entwicklung

Aus seiner Polizeipraxis berichtet der 63-Jährige, der im Juli in Rente gegangen ist und sich seither der Aufklärungsarbeit widmet: "Früher haben wir bei Wohnungsdurchsuchungen nur Rauschgift gefunden." Inzwischen stoßen die Fahnder auch auf ausgekochte Schmerzpflaster und massenhaft Substanzen zum Muskelaufbau und zur Fettverbrennung. Tipps zum Doping im Berufsalltag gibt es zudem im Internet.

"Die Vielseitigkeit des Lebens überfordert manchen", sagt Franz Horst Wimmer. Sie schaffen es nicht, alles auf die Reihe zu kriegen. Zugeben wollen dies natürlich die wenigsten. Auch aus Furcht, damit die Berufskarriere aufs Spiel zu setzen. Lieber ruinieren sie mit der Einnahme von Medikamenten langfristig ihre Gesundheit. Der Trend zur Selbstoptimierung sei jedoch ein Teufelskreis, aus dem man schwer wieder herausfindet und der oft im völligen Zusammenbruch endet. Für um so wichtiger hält es der Autor, Führungskräfte in die Lage zu versetzen, dass sie Substanzmissbrauch bei Mitarbeitern frühzeitig erkennen.

In seinem Buch gibt er Tipps zur Vorbeugung. Von zentraler Bedeutung sind für Wimmer neben Betriebsvereinbarungen darüber, wie man bei Problemen mit Drogen- und Medikamentenmissbrauch verfährt, ein gutes Betriebsklima und ausgeprägte Kommunikation. Verdachtsmomente wie übertriebene Aktivität und Schweißausbrüche ließen sich dann in Mitarbeitergesprächen abklären. Auch unruhiges Herumrutschen auf dem Stuhl und fahrige Augenreaktionen könnten Alarmzeichen sein.

Den besten Schutz vor bösen Überraschungen im Betrieb bietet nach Wimmers Erfahrungen ständige Aufmerksamkeit der Führungskräfte. Wenn Mitarbeiter plötzlich aufdrehen, sollten sie ebenso gewarnt sein, wie bei Durchhängern. Wichtig sei vor allem das persönliche Gespräch. Zur Regel sollte es beispielsweise auch bei Wiedereintritt nach einer Krankheit werden. Der Autor gibt sich keinen Illusionen hin, das Drogenproblem aus der Welt schaffen zu können. Er will vielmehr sensibilisieren, wie man damit umgehen kann, um größeren Schaden zu vermeiden.

 

Franz Horst Wimmer, Drogen- und Substanzmissbrauch in Unternehmen – Fakten – Strategien – Hilfsangebote, Boorberg-Verlag, Stuttgart, 306 Seiten, 42 Euro

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