Sanierungsgebiete lassen Fürths triste Ecken aufleben

26.9.2013, 22:00 Uhr
Sanierungsgebiete lassen Fürths triste Ecken aufleben

© Hans-Joachim Winckler

Das erste Sanierungsgebiet in Fürth? Das war der Gänsberg, damit hat es angefangen, sagt Stefan Kunz, der im Technischen Rathaus die Abteilung Städte- und Wohnungsbauförderung leitet. Freilich, fügt Kunz rasch hinzu: „Unter Städtereparatur hat man sich damals noch etwas anderes vorgestellt.“ Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre interpretierte man Sanierung noch als großflächigen Abbruch.

Ein Denkmalschutzgesetz gab es noch nicht, „man war dafür noch nicht sensibilisiert“. Die Verantwortlichen sahen dementsprechend wenig Erhaltenswertes am Gänsberg: Wer es sich leisten konnte, war im Zuge der Industrialisierung in bessere Wohnquartiere gezogen. Das Viertel bestand aus grauen, meist schiefergedeckten Häusern, überwiegend aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die vor dem Verfall standen. Viele waren als Behelfsunterkünfte errichtet worden.

Sanierungsgebiete lassen Fürths triste Ecken aufleben

© Günter Distler

Ein Gutachten wies 1,8 Prozent der Gebäude als sehr gut aus, 9,5 Prozent als mittelmäßig, 20 Prozent als mangelhaft, 68,7 Prozent als abbruchreif. 83 Prozent waren ohne Kanalanschluss. Der Stadtrat verhängte 1958 eine Bausperre – eine Lösung für das gesamte Viertel sollte her: die Flächensanierung. Zufrieden konstatierte Oberbürgermeister Kurt Scherzer hinterher, dass Bauträger und Architekten „viel Fantasie“ investierten, um die neuen Gebäude „so zu gestalten, wie sie den gestiegenen Bedürfnissen an Wohnqualität und architektonischer Ästhetik am besten entsprachen“. Das Viertel gelte als „beispielhaft für flächensanierte Altstadtgebiete“. Im Jahr 2013 würden viele die Aussage korrigieren – und von einem abschreckenden Beispiel sprechen.

Behutsame Reparatur

„Heute würde man die Grundstrukturen erhalten“, sagt Kunz, die städtebauliche „Reparatur“ soll „behutsam“ erfolgen. An der Ausweisung von Sanierungsgebieten — sie können eine Gruppe Häuser umfassen oder ein ganzes Viertel – aber halten Kommunen seit Jahrzehnten fest. Das Prädikat „Sanierungsgebiet“ trägt in Fürth zurzeit ein großer Teil der Innenstadt, außerdem das Carrera-Areal, Teile der Oststadt, der Ortskern in Burgfarrnbach, die Untere Straße in Dambach und — noch, aber vermutlich nicht mehr lange — das Darby-Areal, wo unter anderem der Südstadtpark entstanden ist.

Aus Sicht der Stadt hat das Instrument drei wesentliche Vorzüge: Es gibt ihr einen gewissen Einfluss auf die Entwicklung des Viertels, da in Sanierungsgebieten zusätzliche Genehmigungspflichten gelten. Es macht es möglich, Förderquellen anzuzapfen. Und es lockt Bauherren an – denn die wittern gute Geschäfte, wenn sie sich der alten Bausubstanz annehmen: Wer hier Wohnraum erwirbt, kann sich auf steuerliche Vorteile freuen, wenn, wie Kunz betont, bestimmte Bedingungen erfüllt sind; Kapitalanleger profitieren davon ebenso wie Menschen, die selbst einziehen. In Fürth spitzt man bei dem Thema insbesondere beim Sanierungsspezialisten P&P die Ohren.

Sanierungsgebiete können einen Anreiz für Bauherren darstellen — aber, stellt Baureferent Joachim Krauße klar: „Es gibt keine Sanierungsgebiete auf Bestellung!“ Der Ausweisung sind Grenzen gesetzt, die Kommune muss nachweisen, dass ein „städtebaulicher Missstand“ besteht, der sich über eine größere Fläche erstreckt. „In Fürth ist das meist Leerstand“, so Krauße.

Schick statt trist

Als Beispiel nennt er die Fichtenstraße: Im November 2009 legte der Stadtrat hier ein Sanierungsgebiet fest, dazu gehörte das Lager- und Verwaltungsgebäude der Firma uvex, die verlassenen „Alhambra-Lichtspiele“, eine Brachfläche an der Ecke Ludwigstraße sowie das Gemeindezentrum der Kirchengemeinde St. Paul in der Benno-Mayer-Straße. Keinen sehr anheimelnden Eindruck machte diese Ecke der Südstadt damals. Nun, vier Jahre später, ist das anders. Das Gemeindezentrum wird zum Schulhaus für die evangelische Grundschule umgebaut, an Stelle des Kinos sowie auf der Brachfläche sind neue Wohngebäude entstanden, und P&P hat den uvex-Klotz, in dem einst Skibrillen und Helme lagerten, in Eigentumswohnungen umgewandelt. „Wir hätten nicht gewollt, dass dort wieder ein Betrieb reingeht“, sagt Krauße. Gestern hob der Stadtrat die Einstufung als Sanierungsgebiet auf. Die Gegend, die eine der tristesten Ecken der Südstadt war, gilt als aufgewertet. Ebenso wie das Darby-Areal oder das Carrera-Gelände an der Ecke Flößau-/Waldstraße mit seinen schicken Lofts und Penthäusern.

Sanierungsgebiete werden ausgewiesen, um das „Abkippen von Stadtteilen zu verhindern“, sagt Stefan Kunz. Die Innenstadt ist ein besonderer Fall: Für einen großen Bereich – von den Bahngleisen bis zu elan, von der Cadolzburger Straße bis zur Jakobinenstraße – konnte die Stadt, nachdem sie ihn zum Sanierungsgebiet machte, beträchtliche Fördersummen aus dem Bund-Länder-Programm Soziale Stadt akquirieren. Zu den Ergebnissen zählen die Uferpromenade und das Kulturforum, aber auch nicht-bauliche Maßnahmen, wie Deutsch-Kurse, wurden gefördert. „Einen Segen“ nennt Krauße das Programm oft. Es helfe punktgenau – und es hat in vielen Fällen geholfen, Altes zu bewahren und in neuer Pracht erstrahlen zu lassen.

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