Schulterschluss für Fürther Nazi-Opfer
13.4.2018, 16:00 UhrSie starben bereits wenige Woche nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten: Die Fürther Ernst Goldmann und Rudolf Benario wurden am 12. April 1933 im Konzentrationslager Dachau ermordet.
Auf den Tag 85 Jahre später finden sich in Fürth an der Gedenktafel vor den vier Birken, die Benario und Goldmann einst selbst gepflanzt haben, über hundert Menschen ein. Sie erleben im Wortsinn ein besonderes Schauspiel. In einem 15-minütigen Zeitraffer bringen Jördis Trauer, Sunna Hettinger, Boris Keil und Tristan Fabian vom Ensemble des Stadttheaters ausdrucksvoll die grausamen Geschehnisse dieser Jahre nahe. Fast ohne Hilfsmittel schlüpfen sie in die Rolle der Opfer, in die Rolle der Täter und der Augenzeugen, zitieren Zeitungsberichte oder verlesen Briefe. In einer Märznacht – während einer sogenannten Säuberungsaktion – verhaften die Nazis Benario und Goldmann, zwei Fürther Juden, die sich in der kommunistischen Partei engagieren. Trotzig singen sie noch auf dem Weg nach Dachau mit ihren Genossen die Internationale, doch dort, im KZ, entscheidet sich ihr Schicksal.
Am 12. April werden die beiden Fürther und zwei weitere Juden vom Wachkompanieführer schwer misshandelt, am Abend trennt man sie von den Mithäftlingen und bringt sie in ein nahes Wäldchen. Kurz darauf fallen Schüsse. Es ist Mord, doch der nationalsozialistische Fürther Anzeiger berichtet, die Opfer seien auf der Flucht erschossen worden.
Nur einen Tag nach diesem Verbrechen trifft in Dachau ein Päckchen von Benarios Vater ein, der – nichts ahnend – die Wächter höflichst bittet, seinem kränklichen Sohn den Inhalt auszuhändigen: einen Wintermantel, ein Fieberthermometer, Medikamente, Socken, Unterhosen. Benario und Goldmann wurden nur 24 Jahre alt.
Gemeinsam verteidigen
Hans Brenner vom Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus verliert nach dem engagierten Auftritt der Schauspieler nicht mehr viele Worte. Eigentlich ist alles schon gesagt. Brenner richtet das Augenmerk noch einmal auf den Gedenkort, den mutmaßlich Neonazis in der Vergangenheit mehrfach geschändet hatten, unter anderem, indem sie die Stämme der Birken mit Äxten und Sägen schwer beschädigten. "Dieser Ort", sagt er, "ist ein Stück Antifaschismus, an dem sich die Nazis die Zähne ausbeißen werden." Schon zu Beginn der kleinen Feier hat Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung die Bedeutung der Gedenkstätte unterstrichen: "Es ist wichtig, dass wir sie gemeinsam verteidigen, und wir müssen und werden sie verteidigen."
So sehen das offenbar auch Jugendliche aus drei Fürther Schulen, die bereits am Morgen eine von vier Aufführungen an der Uferpromenade erleben durften. Im Anschluss hinterließen sie Botschaften auf bunten Blättern, die sachte zwischen den sterbenden Birken im Wind wehen. "Lebe dein Leben ohne Gewalt" ist darauf zu lesen oder "Das Vorurteil ist das Kind der Unwissenheit".
Am Abend gehören die abschließenden Worte einer jungen Frau vom Infoladen Benario in der Nürnberger Straße. Sie zitiert mit Leidenschaft den Schwur, den Häftlinge aus dem KZ Buchenwald 1945 nach ihrer Befreiung gesprochen hatten: "Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel."
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