Situation im Zirndorfer Flüchtlingslager spitzt sich weiter zu
9.11.2012, 15:18 UhrEs ist wie an einem heißen Tag im Sommer am Eingang zum Schwimmbad. Geduldig stehen die Menschen zur Mittagszeit in einer langen Schlange vor der Drehtür zur Kantine der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Zirndorf (ZAE) und warten darauf, dass ein Platz im Speisesaal frei wird. So schlimm wie Anfang der 1990er Jahre sei es noch nicht, sagt der Aufseher, der in einem blauen Overall am Eingang steht und sich mit strengem Blick einen Überblick verschafft. Damals hätten rund 1200 Leute täglich verpflegt werden müssen, „jetzt sind es nur rund 1000“, fügt er hinzu. Eigentlich sollten hier höchstens 500 Menschen übergangsweise untergebracht werden, bis eine Entscheidung über ihren Asylstatus getroffen wird.
Doch seit Wochen reißt vor allem der Zustrom aus arabischen Ländern und Staaten der ehemaligen Sowjetunion sowie aus Serbien und Mazedonien nicht ab. Die Verwaltung stößt dabei zunehmend an ihre Grenzen. Noch immer sind im Hof der ehemaligen Kaserne mehrere Zelte aufgebaut, an den Fenstern zu den Zimmern der verschiedenen Gebäude hängt Wäsche zum Trocknen und an einer Tischtennisplatte müssen sich mehrere Kinder zwei Schläger teilen. Nicht für alle stehen genügend Sanitäranlagen bereit, überall sind Dixie-Klos aufgestellt.
Neben der Kapelle steht auch die Cafeteria bis auf weiteres nicht zur Verfügung. Auch dort wurden Notbetten aufgestellt. „Ja, die Zustände sind schon nicht mehr so menschenwürdig“, räumt ZAE-Leiter Werner Staritz ein und bestätigt die Kritik des bayerischen Flüchtlingsrates. Er müsse den Leuten aber wenigstens ein Dach über dem Kopf und eine Schlafmöglichkeit geben. „Mehr kann ich zur Zeit nicht machen.“ Derweil betont der Nürnberger Rat für Integration und Zuwanderung im Hinblick auf die Situation in Zirndorf, dass Gemeinschaftsunterkünfte grundsätzlich abzulehnen seien. "Solange jedoch gesetzlich, politisch sowie auch tatsächlich keine anderen Möglichkeiten der Unterbringung von Menschen in Bayern möglich sind, müsste ein drittes Aufnahmelager errichtet werden", fordert der Rat in einer Presseerklärung.
Baracken sollen Zelte ersetzen
Allerdings sei die Situation nicht hausgemacht, wie die Hilfsorganisation kritisiert. Auch in Hamburg oder Nordrhein-Westfalen seien Hallen angemietet worden. Die Zahl von rund 11 000 Flüchtlingen deutschlandweit allein im Oktober „spricht doch für sich“, betont er. Staritz, der seit 1987 in dem Lager beschäftigt ist, verspricht zugleich Besserung. Wurden zunächst im Oktober Not-Zelte des Roten Kreuzes auf dem Hof der ehemaligen Kaserne aufgebaut, will die Verwaltung jetzt Baracken bauen, um die Menschen auch in den kalten Wintermonaten einigermaßen angemessen unterbringen zu können. Das Geld dafür sei von der Landesregierung zur Verfügung gestellt worden. Knapp 90 Wohneinheiten für rund 150 Personen sollen so entstehen, inklusive Waschgelegenheit und Küche.
Auch das bayerische Sozialministerium will die menschenunwürdigen Umstände in dem Lager nicht mehr hinnehmen. „Mein Ziel war es von Anfang an, dass die Zelte dort so schnell wie möglich wieder abgebaut werden können und auch die Kapelle und die Cafeteria geräumt werden können“, sagt Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU). Allein in diesem Jahr entstehen demnach mehr als 2700 neue Plätze in den Gemeinschaftsunterkünften der Bezirke und Landkreise. Im kommenden Jahr sollen weitere hinzukommen. Staritz hofft indes darauf, dass in den kommenden Wochen die Zahl der Neuankömmlinge in seiner Einrichtung zurückgeht. Der verstärkte Zuzug seit Oktober aus Serbien und Mazedonien habe „uns das Genick gebrochen“.
CSU-Politiker fordern schärfere Regeln
Diese Menschen kämen aber nur nicht nur deswegen, um das erhöhte Geld zu bekommen. Viele kämen auch, um mit einem Dach über dem Kopf „zu überwintern“. Dies sei einer der Gründe für den verstärkten Zuzug im Herbst, sagte Staritz. Um den Druck auf die Einrichtungen schnell zu verringern, hatten sich Innenminister Hans-Joachim Friedrich und sein bayerischer Amtskollege Joachim Herrmann (beide CSU) für schärfere Regeln für Asylbewerber aus Serbien aus Mazedonien ausgesprochen. Wer aus einem „sicheren Herkunftsstaat“ komme, solle künftig weniger Geld bekommen, sagte er. Auch sollten die Asylanträge schneller überprüft werden. Eine Familie aus Mazedonien hat diese schnellere Überprüfung bereits zu spüren bekommen. Erst vor 18 Tagen kamen sie gemeinsam mit ihrer fünfjährigen Tochter in Bayern an, jetzt erhielten sie den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. „Niemand verlässt freiwillig seine Heimat, wenn es ihm gut geht“, sagt die 30-jährige Frau traurig und schaut auf ihr kleines Mädchen, das in der Kindertagesbetreuung mit einer Puppe spielt. Ihre Jugend habe sie in Stuttgart verbracht, als geduldeter Flüchtling, sagt die Mutter in gutem Deutsch. Was jetzt werde, wisse sie auch nicht.
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