Spannende Lehrstunde: Der Landtag macht Schule
7.2.2015, 19:00 UhrUnter Anleitung eines dreiköpfigen Teams schlüpfen die Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren mit Fantasienamen und nach der Entscheidung für eine politische Partei in die Rolle von Abgeordneten. Als solche nutzen die angehenden Elektro- und Metalltechniker zunächst eine Fraktionssitzung, um ihre Vorsitzenden zu wählen und sich sodann in einen von drei Ausschüssen zu begeben. In diesen Gremien vertreten sie aus verschiedenen Blickwinkeln Meinungen und tauschen Argumente aus.
Thema dieses Schüler-Landtags ist ein Gesetzentwurf der CSU-Fraktion, der vorsieht, in 250 bayerischen Innenstädten Videokameras zu installieren — ein Thema, das nach der Bluttat in einer Fürther U-Bahn-Station (siehe Artikel S. 25) ungeahnte Aktualität erhalten hat. Ob durch die Ausdehnung einer solchen Videoüberwachung tatsächlich die Sicherheit der Bürger verbessert wird, welchen Beitrag sie zur Bekämpfung von Kriminalität leisten kann und welche Alternativen es gibt — all das wird im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport diskutiert.
Im Klassenraum, an dem das Schild „Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen“ hängt, stehen Fragen wie die Vereinbarkeit der Überwachung mit Garantien des Datenschutzes und den Grenzen für Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger zur Debatte. Auch über die Dauer der Videospeicherung machen sich die Schüler Gedanken. Ob die Videoüberwachung gar ein wirtschaftlicher Vorteil für davon erfasste Geschäfte wäre, weil sich die Kunden dann sicherer fühlen, ist ein weiterer Aspekt, über den im Ausschuss für Wirtschaft und Medien, Infrastruktur, Bau und Verkehr, Energie und Technologie intensiv diskutiert wird.
Die Erörterung all dieser Probleme ist in einen straffen Zeitplan gefügt, der für großen Entscheidungsdruck und einen starken Spannungsbogen sorgt. So etwas erleben die Schüler im Unterricht sonst nicht. Die Fürther Teilnehmer finden sich nach anfänglicher Skepsis mehr und mehr in ihre Rollen. Sie entwickeln und verteidigen ihre Standpunkte und versuchen leidenschaftlich, andere Abgeordnete zu widerlegen.
„Es ist definitiv eine spannende Angelegenheit und gut zu sehen, wie das Thema die Schüler packt und sie immer engagierter agieren lässt“, freut sich Malou Duinkerken, eine der anleitenden Projektfachkräfte. Für Peter Schmid, Fachbetreuer und Sozialkundelehrer an der Martin-Segitz-Schule, ist „Landtag in der Schule“ auch eine großartige Möglichkeit, seinen Schülern sperrige Begrifflichkeiten nahe zu bringen.
Spielerisch begreifen
Deshalb hatte er sich beim Bayerischen Landtag um das Projekt beworben, das pro Schuljahr bayernweit knapp einhundert Schulen kostenlos angeboten werden kann. Dabei werden auch Themen wie Schulreformen, Wahlalter 16 oder Jugendkriminalität diskutiert. „Das Entscheidende ist, die Theorie aus dem Unterricht praktisch umzusetzen, damit die Schüler Zusammenhänge spielerisch begreifen“, sagt Schmid.
Dass sie nun wissen, was Ausschüsse, Fraktionen und Lesungen sind und wie hier taktiert und gerungen wird, das ist nach diesem unterhaltsamen Projekttag ein großer Gewinn für die Berufsschüler. Im Schlussplenum tragen die Ausschussvorsitzenden den Abgeordneten des Stimmkreises ihre Beschlussempfehlungen vor, beziehen Vertreter der Fraktionen Stellung. Dann wird abgestimmt. Ganz so oder zumindest sehr ähnlich dem Verfahren, wie im „richtigen“ Landtag Gesetze auf den Weg gebracht werden.
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