Über 700 Jahre alt
Spektakuläre Rekonstruktion: Fraunhofer Institut hilft beim Nachbilden einer Flöte
28.8.2021, 21:00 UhrIn den 1950er Jahren wurde das Teil aus Kirschbaumholz bei dem Bau der Sparkasse in Würzburg in einer Latrine aus dem Mittelalter entdeckt. Keramikfunde an gleicher Stelle weisen laut Benjamin Spies, Kurator im Museum für Franken in Würzburg, darauf hin, dass das Instrument zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert gefertigt wurde. In den Siebzigern rekonstruierte man das Fragment nach damaligen Standards. Heraus kam: eine Art Blockflöte.
Als Instrumentenbaumeister Andreas Spindler zum ersten Mal die Überbleibsel der angeblichen Blockflöte sah, hatte er jedoch bereits ganz andere Gedanken. Das Ausstellungsstück im Museum für Franken erinnerte ihn vielmehr an eine Sackpfeife. Denn: Charakteristisch sei die Trichterform des Fragments, das der Spielpfeife eines Dudelsacks ähnle. Klarheit soll nun die Digitalisierung der Überreste durch einen hochmodernen Computertomografen schaffen. Dies ist der erste Schritt für das Forschungsteam, um in den kommenden Monaten den mittelalterlichen Dudelsack zu rekonstruieren. Damit die Röntgenstrahlen das Stück genau erfassen, muss Spies das Musikinstrument vorsichtig und genau platzieren.
"Oftmals dauert das Herrichten der Objekte länger als der eigentliche Scan", scherzt Theobald Fuchs, der die Messung beaufsichtigt. Das Überbleibsel des Musikinstruments ist nicht das erste Kulturerbe, das die Forscher im Institut genau durchleuchten. Sogar eine Mumie wurde hier im Jahr 2018 digitalisiert. Ansonsten erledigen die Forscher vor allem verschiedene Tests und Computertomografien mit Prototypen.
Nachdem das Fragment in die richtige Position gebracht wurde und sich die Türen des Röntgenraums automatisch schließen, projiziert die Webcam im Innenraum bereits erste Aufnahmen auf die vielen Bildschirme der Forschungseinrichtung. Auch ein schwarz-weißes Röntgenbild, wie man es vom Arzt kennt, zeichnet sich bereits nach kurzer Zeit auf den Computerbildschirmen ab.
Eine gute halbe Stunde wird das Bruchstück nun genauestens von allen Seiten durchleuchtet. Im Anschluss liefert der Computertomograf dreidimensionale Bilder des zerstörten Instruments. Und tatsächlich: Nach einer ersten Auswertung der Messdaten sind sich die Forscher einig, dass die Form des Fragments für eine Sackpfeife spricht. Der Scan bildet im nächsten Schritt die Grundlage für die Arbeit von Professor Tomas Sauer und seinem Team vom Lehrstuhl für Mathematik und Digitale Bildbearbeitung der Universität Passau. In Passau werden die fehlenden 80 Prozent des Instruments anhand der Messdaten mathematisch berechnet.
Danach entsteht ein erster 3D-Druck aus Plastik. Dieser dient wiederum Instrumentenbaumeister Andreas Spindler als Vorlage für den finalen Nachbau aus Holz, der ab 17. Dezember in der Sonderausstellung "Zeitreise Mittelalter" im Museum für Franken zu sehen sein wird.
Obwohl Spindler bereits viele Instrumente nach historischen Vorlagen angefertigt hat, ist dieses Projekt für ihn besonders spannend, gerade weil vom ursprünglichen Instrument nur noch ein sehr kleiner Teil erhalten ist. Er ist dennoch optimistisch, dass sich der Klang der rekonstruierten Sackpfeife dann an den des Ursprungsinstruments sehr gut annähern wird – an den Klang des Mittelalters.
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