SpVgg lädt Flüchtlinge in den Ronhof ein
15.12.2014, 16:00 UhrFür Aansim A. aus Syrien ist es der erste Winter in Deutschland. Eine dicke Jacke hält ihn warm. Sie ist rot. Knallrot. Oder, was ihr Träger nicht ahnen kann: geradezu rot wie der Club. Flüchtlingsberater Stefan Pfeiffer registriert den ungewollten Farb-Fauxpas und erklärt augenzwinkernd Grundsätzliches zum fränkischen Fußball: „Fürth und Nürnberg mögen sich nicht so sehr“, sagt er den 35 meist jungen Asylbewerbern am Eingang des Ronhofs. Alle nicken artig, etwas Unsicherheit ist den meisten noch anzumerken. Aansim A. übersetzt für seine Landsmänner.
Seinen vollen Namen will er lieber nicht in der Zeitung lesen, über sein Leben aber spricht er gern. Ein Jahr habe er in Syrien im Gefängnis verbracht. „Als ich raus durfte, wusste ich sofort, dass ich weg muss“, sagt A. in perfektem Englisch. Das kommt nicht von ungefähr: Vier Jahre hat er in Ohio (USA) Computer-Ingenieurwesen studiert. In Syrien sah der Vater von drei Kindern aber keine Zukunft mehr: „Mir war klar, dass ich sterben würde, wenn ich noch einmal in Haft komme.“ Über den Libanon, Algerien, Libyen und Italien sei er in 27 Tagen nach Deutschland gekommen. Mehrere Tage davon musste er mit 270 Leuten auf einem Boot ausharren.
Jetzt ist er gespannt auf das erste Fußballspiel außerhalb Syriens. Dort sei der Sport nicht interessant, „es gewinnt jedes Jahr dieselbe Mannschaft, die Regierung steuert alles.“ Die Bundesliga aber sei durch das Fernsehen sehr bekannt. „Philipp Lahm, Manuel Neuer, FC Bayern“, zählt A. stolz auf. „Furth“ kennt er, sportlich gesehen, nicht, die Stadt ist ihm aber schon vertraut. Seit vier Monaten lebt er hier in einer Gemeinschaftsunterkunft. Der Alltag dort bietet wenig Abwechslung. „So viele Monate meines Lebens habe ich nur mit Essen und Schlafen verbracht“, sagt A. Zu gerne würde er Deutsch lernen und arbeiten. Und seine Familie nach Deutschland bringen. Eine Aktion der SpVgg bietet an diesem Tag eine willkommene Abwechslung.
Soziale Verantwortung
Für das Kleeblatt steht fest, dass der Verein eine soziale Verantwortung hat und wahrnehmen muss. Als das frühere Möbelhaus Höffner zur Flüchtlingsunterkunft wurde, sei klar geworden, „dass wir etwas machen müssen“, sagt Fanbeauftragter Nicolas Heckel. In Abstimmung mit der Caritas, dem Fanprojekt und der Fanszene wurde ein Konzept entwickelt.
Nachhaltig muss es laut Heckel sein. „Es bringt nichts, einmalig tausende Karten auszugeben.“ Ab sofort sollen kleinere, personell wechselnde Gruppen bei jedem Spiel im Ronhof begleitet werden — von der Caritas, aber auch von Fans. „Dass Mitglieder der Horidos ihren Block verlassen und ein ganzes Spiel mit den Asylbewerbern verbringen“, findet Flüchtlingsberater Franz Ganster toll. Matthias Kosubek vom Fanprojekt schließt sich dem Lob an: „Wir begrüßen das Engagement sehr. Das macht die gute antirassistische Arbeit der Fans noch einmal handfester.“
Neben den Spielbesuchen sind in den nächsten Monaten weitere Aktionen für die 800 Asylbewerber in der Stadt geplant: Stadionführungen, Fußballtraining mit Übungsleitern des Kleeblatts, ein Workshop, bei dem Fahnen für den Ronhof gemalt werden.
Im Stadion tauen die 35 Flüchtlinge mit fortschreitender Spielzeit immer mehr auf. Leidenschaftlich fiebern alle mit, ein Tor für „Furth“ aber können sie diesmal nicht bejubeln. Die SpVgg unterliegt 0:1. Für Aansim A. steht nach Abpfiff fest, warum das Kleeblatt verloren hat. „Sie hatten Pech wegen meiner roten Jacke.“ Falls er wiederkommt, will er sich neutral kleiden.
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