Symposium in Puschendorf: Kinder brauchen mehr Freiheiten
16.6.2017, 13:00 UhrWährend es am Nachmittag in den Workshops um die praktische Arbeit ging, beschäftigte sich der Hauptreferent des Vormittags, Professor Malte Mienert, mit der Lust – oder Unlust – auf Veränderungen im pädagogischen Alltag. "Das haben wir doch schon immer so gemacht" – ein Satz, den der Entwicklungspsychologe, bei der Evaluierung von Einrichtungen häufig zu hören bekommt.
Mienert ist sich dabei aber stets bewusst, dass er als Psychologe eine gänzlich andere Perspektive als die Pädagogen hat. Während sich Letztere die Frage stellen "Wie soll das Kind sein?", würden Psychologen eher fragen "Wie ist das Kind?" Die einen haben also den Soll-, die anderen den Ist-Zustand im Blick.
"Das ist eigentlich fast unvereinbar", findet Mienert, der trotz des trockenen Themas viel Witz in sein Referat packte und so gar nicht dem Stereotyp eines vergeistigten Professors entsprach.
Gegen die durchgetakteten Tage in Kitas oder Kindergärten etwa hatte er das Motto seiner Großmutter parat: "Immer ruhig und gediegen, was nicht fertig wird, bleibt liegen."
Mienert, der neben seiner Forschungstätigkeit regelmäßig als verhaltensauffällig geltende Kinder begutachtet, fordert von Erziehern, Eltern und der Gesellschaft mehr Gelassenheit: "95 Prozent der Kinder sind vollkommen normal", lautet seine Einschätzung.
Gerade die Auffälligen könne er besonders gut leiden, "weil ich weiß, dass die ihren Weg gehen werden. Die allermeisten aktuellen Führungskräfte würden als Kinder heute als verhaltensauffällig gelten." Sorgen würden ihm eher die Stillen, Braven und Angepassten machen.
Fast allen Mädchen und Buben von heute haben nach seiner Ansicht eines gemeinsam: Mangel an Freiheit und freier Zeit. "Sie sollen machen, was sie wollen", so Mienert, "und niemand braucht Angst haben, dass dann antiautoritäre, freche Kinder heranwachsen." Im freien – und nicht überwachten – Spiel geben sie sich eigene Regeln und erziehen sich dadurch gegenseitig.
Doch die freie Zeit ohne Kurse, Sport oder Nachhilfe an den Nachmittagen, wie ihn seine Generation noch kannte, existiere heute nicht mehr. Und mit ihr die Fähigkeit, Entscheidungen selbst zu fällen. Mienerts Kernthese lautet deshalb: Gerade pädagogische Einrichtungen müssten diesen Selbstbildungsprozess durch mehr Freiheit wieder fördern.
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