Unterschlauersbach: Ein ganzes Dorf hält zusammen
17.7.2016, 16:00 Uhr„Wenn du in Unterschlauersbach Anschluss suchst, dann macht dir keiner die Tür vor der Nase zu.“ Irmi Schmidt hat es selbst erlebt. Vor 32 Jahren kam sie nach der Hochzeit mit ihrem Partner, Klaus Schmidt, in den Ort. Das Gasthaus „Zum schwarzen Bock“, das schon seit 1696 existiert, ist seit 226 Jahren im Besitz der Familie ihres Mannes. Für die junge Frau war zunächst alles fremd. „Ich bin in Stallbaum bei Hersbruck aufgewachsen, dort hatten wir Landwirtschaft – für mich war es eine Umstellung.“
Die betraf nicht nur die neue Aufgabe. In ihrem Heimatort lebten damals etwa 90 Menschen, in Unterschlauersbach waren es knapp 250. „Auch das war ungewohnt für mich.“ Heute weiß sie: „Ich bin gerne mit allen zusammen, es gibt hier einen ganz besonderen Zusammenhalt.“ Anfangs machte allerdings noch etwas anderes Eindruck auf sie: „Die Straße. Sie zieht sich ja durch das ganze Dorf. Da war ständig was los, sowas kannte ich vorher nicht.“ Selbst der Dialekt hielt Überraschungen für sie bereit: „Meine Schwiegermutter hat mich gefragt: ‚Magst Brestla?‘ Aber ich wusste nicht, was das ist.“
Heute sagt die 53-Jährige selbstverständlich „Ja“ zu Erdbeeren und gibt offen zu: „Ganz zu Beginn hab’ ich mit Heimweh gekämpft.“ Sie muss lachen. Längst fühlt sie sich zuhause, weiß: „Ich möchte nirgendwo anders leben.“ Irmi Schmidt macht eine weit ausholende Armbewegung, die Häuser, Wiesen, Äcker und Wald einschließt. Ihr gefällt die Weite, der Blick in die Natur. Für sie zählt aber noch etwas anderes: „Ich bin hier von Anfang an nett aufgenommen worden.“
Die Atmosphäre in Unterschlauersbach ist augenscheinlich geprägt vom Gemeinschaftssinn. „Wir halten zusammen“, ist ein Satz, der oft fällt und sich in ungezählten Festen und Aktionen bewährt hat. Unter dem Dach des Ortsvereins wird geplant und organisiert. Dazu gehört unter anderem eine Theatergruppe, die regelmäßig Schwänke einstudiert und im Saalbau des „Schwarzen Bocks“ aufführt. Die „Kärwaboschn“ sind aktiv und die Freiwillige Feuerwehr engagiert sich, ihr Kellerfest gehört zu den Höhepunkten im Dorfjahr.
Man trifft auf gute Nachbarn und kann Freundschaften schließen, sagen die, die in Unterschlauersbach leben. „Das ist schön“, bestätigt Irmi Schmidt und erzählt vom Kaffeekränzchen, das sich im Winter einmal im Monat trifft. „Da haben wir irgendwann beschlossen, wir fliegen jetzt zusammen weg.“ Gesagt, getan. Sieben Unterschlauersbacherinnen entschieden sich für die Kanareninsel Teneriffa als Reiseziel, und weil die Tour ein Erfolg war, ging es später auch noch nach Malta.
"Am Freitag sind die Leute besonders experimentierfreudig"
Als Ortsbäuerin kümmert sich Irmi Schmidt vornehmlich um Fahrten und Vorträge. „Wir hatten zum Beispiel das Thema Herzgesundheit, ein anderes Mal stand die Typberatung im Mittelpunkt.“
Die Gäste im „Schwarzen Bock“ loben die Kreativität der Wirtin. Sie freut sich und gibt das Kompliment zurück: „Am Freitag sind die Leute besonders experimentierfreudig.“ Und so wechselt sich auf der handgeschriebenen Kreidetafel am Gasthaus die Schlachtschlüssel mit selbstgemachter Pizza nach römischem Rezept ab. Es kommt Chinesisches auf den Tisch, oder es wird Mexikanisch gekocht. In bester Erinnerung blieb nicht zuletzt ihr „Lamm-Buffet“, das verschiedene Spezialitäten rund ums Jungschaf präsentierte. Längst hat sich die Wirtin auch intensiv mit der spannenden Geschichte des Gasthauses beschäftigt. Dafür wandte sie sich sogar an die Staatsarchive in Nürnberg und Bamberg.
Die Frage, wie lange ein ganz normaler Arbeitstag bei ihr dauert, wehrt Irmi Schmidt erst scherzhaft ab. Dann überlegt sie und meint: „Zehn bis zwölf Stunden können es schon werden. Wenn etwas Besonderes ist, auch mehr.“ In die letzte Kategorie fällt die Kärwa: „Dann ist Ausnahmezustand.“ Klingt sehr anstrengend. Irmi Schmidt schüttelt den Kopf: „Man setzt sich ja auch mal hin und läuft nicht die ganze Zeit im Kreis herum. Das ist halt so, und man schaut doch nicht auf die Uhr.“
"Ziegen wollen immer bestochen werden"
Eine Aufgabe mag sie besonders gerne. Jeden Tag geht die 53-Jährige, begleitet von der Berner Sennenhündin Cara („eine ganz Liebe“), für eine Stunde zu ihren Tieren, mistet aus, füttert, schaut, ob es allen gut geht. „Das ist einfach meins.“ Zu ihrer freundlichen Menagerie gehören sieben Geißen auf einer nahen Weide. Hier ist Gretel, das größte Tier, die Chefin. Irmi Schmidt nimmt einen Eimer mit Futter zur Hand, klettert ins Gehege und erklärt: „Ziegen wollen immer bestochen werden, die machen nichts umsonst.“
Ganz anders Eseldame Lottchen, die auf der Nachbarweide mit Tochter Finchen steht. „Lottchen haben wir gekauft, als unsere beiden Kinder klein waren, weil Esel für Kinder viel besser sind als Ponys.“ Warum das? „Wenn ein Pony sich erschrickt, läuft es schnell weg. Ein Esel bleibt stehen und überlegt sich die Sache ausführlich.“ Auf einer anderen Weide grasen Hedia und Tinker, die beiden Pferde sind betagt. „Gnadenbrot ist ein Wort, das mir nicht gefällt“, überlegt Irmi Schmidt, „die beiden sollen einfach bei uns sein, solange es ihnen gutgeht.“
Außerdem gibt es Schweine und Schafe. Die Katze, die im Stall lebt, ist zugelaufen und geblieben. Wie alle Tiere sollte auch sie einen schönen Namen bekommen; weil sie sich aber stets vorwitzig dazuschlich, wenn die Ferkel angelockt und gefüttert wurden, hört sie heute bloß auf „Suggerla“ . . .
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