„Vollkommene Wirtschaft“
6.7.2012, 16:00 UhrEin merkwürdiges Wort war der Auslöser: „In unserem Übergabevertrag steht, dass mit der Wirtschaft auch die ,Brau- & Taferngerichtigkeit‘ verbunden ist“, erinnert sich Irmi Schmidt. Sie wollte wissen, was es damit auf sich hat: „Dass wir heute noch das Braurecht haben, war mir bekannt“, sagt die 49-Jährige. Aber was bedeutet „Taferngerichtigkeit“?
Die Wirtin fand heraus: „Dahinter steckt die Erlaubnis, eine sogenannte ,Vollkommene Wirtschaft‘ zu führen.“ Dazu gehörte einst unter anderem die „Fremdenstallung“, das heißt ein Herbergsbetrieb. Bier, Wein und Schnaps durfte ausgeschenkt und Brot gebacken werden. Gab es kein Amtshaus, war es gestattet, im Wirtshaus zu Gericht zu sitzen. In der Tafernwirtschaft kam man zum Leichenschmaus zusammen – und verhandelte über den Nachlass. Zu den Pflichten, die an den vielen Rechten hingen, gehörte es, fahrende Handwerksburschen aufzunehmen.
Irmi Schmidt beließ es nicht bei diesen Informationen. Sie wollte mehr wissen: „Das ist total spannend“, sagt sie lachend. Die Wirtin wandte sich an die Staatsarchive in Nürnberg und Bamberg. Und entdeckte: „Die erste gesicherte Erwähnung des Gasthofs stammt von 1696.“ Im 18. Jahrhundert wurde das Anwesen fünfmal für viel Geld verkauft. Warum denn? „Das weiß man leider nicht.“ Vor 222 Jahren kommen dann die Vorfahren der heutigen Besitzer ins Spiel, seither ist die Wirtschaft in ununterbrochener Reihenfolge in den Händen der Familie.
Viele Details kamen bei der Recherche ans Licht. So gab es 1870 für kurze Zeit tatsächlich eine Brauerei. Als 1956 das alte Gasthaus abgebrochen und ein Neubau errichtet wurde, entsorgte man die Überreste des Braubetriebs. Auf einer Postkarte, die etwa um 1950 entstand, kann man das historische Haus noch sehen.
Mit doppeltem Dachboden
Große Unterschiede zum heutigen Gasthof lassen sich nicht erkennen: „Ich hätte gerne das Fachwerk von damals“, meint Irmi Schmidt schmunzelnd. Bereits 1928 wurde zusätzlich ein Saal errichtet, der bis heute zum Beispiel intensiv vom Ortsverein zum Theaterspielen genutzt wird. Auch hier erfuhr die Wirtin Erstaunliches: „Der Saalbau hat einen doppelten Dachboden, das gibt es sonst eigentlich nur in Klöstern.“
Der Name „Zum Schwarzen Bock“ geht auf den Urururgroßvater von Wirt Klaus Schmidt (51) zurück. „Für Franken ist diese Bezeichnung ganz ungewöhnlich“, erklärt Irmi Schmidt. Bevor der Bock zum Namensgeber wurde, ist in den Archiven vom „unteren Wirtsgut“ die Rede.
Das Stöbern in der Geschichte hat bei der Wirtin den Sinn für die Tradition bestärkt: „Man weiß noch viel deutlicher, dass man in der Pflicht steht“, sagt sie. Gerade in den vergangenen Jahren hat sich aber vieles gewandelt: „Bis in die 60er, 70er Jahren gingen Frauen zum Beispiel nicht einfach so ins Wirtshaus.“ Stattdessen kamen die Männer: „Dann ging es manchmal beim Schafkopfen hoch her.“ Bestellt wurde üblicherweise nur flüssige Stärkung: „Dazu packten die Männer ihre eigene Vesper aus, die hatten sie im ,Schürzenstecker’, einer Brusttasche an der Schürze, von daheim mitgebracht.“
Heute tischt Irmi Schmidt regionale Küche auf, Schlachtplatte oder Wildgerichte gehören dazu. Am heutigen Freitagabend wird es international: „Da koche ich Gerichte aus aller Welt, von Tapas aus Spanien bis zum schottischen Büfett.“ Die Idee dazu kam ihr Anfang der 90er: „Da habe ich immer öfter gehört, wie die Leute gesagt haben, wir gehen jetzt zum Griechen oder zum Italiener.“ Seither schaut sie selbst nach Pikantem aus fernen Ländern: „Mein Pizzateigrezept stammt aus Rom, da habe ich einfach keine Ruhe gegeben, bis der Koch mir das verraten hat.“
Beim großen Fest zum 222. Jubiläum wird es am 6. und 7. Juli natürlich Traditionelles geben. „Unter anderem machen wir so wie früher ,Vesper-Bündel’, dafür packen wir unter anderem Stadtwurst, Presssack und Brot in ein Tuch“, verrät Irmi Schmidt. Wenn das große Unterschlauersbacher Fest-Jahr mit den verrückten Jubel-Zahlen vorüber ist, will sie versuchen, die Vergangenheit des Schwarzen Bocks weiter zu ergründen: „Die älteste Urkunde, die wir im Archiv entdeckt haben, stammt von 1138“, sagt sie. Was da drin steht? Das weiß noch niemand. „Die Schrift konnte bisher keiner entziffern, aber vielleicht findet sich ja jemand – die Geschichte lässt einen nämlich einfach nicht los.“
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