Vom Politiker zum Pfarrer

25.12.2011, 19:00 Uhr
Vom Politiker zum Pfarrer

© Scherer

Herr Redlingshöfer, so groß unterscheiden sich Politiker und Theologen doch eigentlich gar nicht. Beide sagen den Leuten, was Sie glauben sollen, oder wie sehen Sie das?

Redlingshöfer: Ich sehe meine Aufgabe darin, Wegweiser auf Christus zu sein. Hilfe erfahren Menschen im Glauben, dazu kann ich nur beitragen, aber letztendlich ist es Gott, der lenkt, das empfinde ich auch als entlastend. Als Politiker meint man ja immer, man muss alles selbst erledigen.

Wie ist es, wieder in dem Landkreis tätig zu sein, in dem man Sie als Kommunalpolitiker und als Behördensprecher kannte?

Redlingshöfer: Es war eher Zufall, dass ich wieder hier gelandet bin. Nach meinem Studium an der Augustana Hochschule Neuendettelsau war ich im Dekanat Bad Windsheim beschäftigt. Zuletzt habe ich sechs Gemeinden betreut. Sie waren auf acht Dörfer verteilt, sechs von ihnen hatten eine eigene Kirche, für insgesamt 16 Gebäude war ich zuständig. Ich war viel unterwegs und im Nebenjob Immobilienverwalter. Da konnte ich mich in der Seelsorge nur aufs Notwendigste beschränken. Ich wollte meine Energie auf eine Gemeinde konzentrieren, damit die Kraft nicht so zerfasert. Überspitzt gesagt: Ich bin nicht von der Kommunalverwaltung weg, um Kirchenverwalter zu werden. So hab ich mich im Frühjahr umgeguckt. Die Paul-Gerhardt-Gemeinde war mein Favorit.

Wie stark spielt Ihre politische Vergangenheit in Ihr Leben von heute hinein?

Redlingshöfer: Ich habe vor sechs Jahren, nach meinem Studium, mein Gemeinderatsmandat in Veitsbronn niedergelegt. Damit war diese Lebensphase abgeschlossen, seitdem ist Kommunalpolitik für mich kein Thema mehr. Gott sei Dank muss ich meine Kraft nicht mehr in Diskussionen über Gewerbe- oder Baugebiete stecken. Und ich werde alles dafür tun, dass meine politische Vergangenheit in meine Tätigkeit als Pfarrer nicht hineinspielt. Der SPDler soll sich von mir genauso gut begleitet fühlen wie der CSUler oder jeder andere. Ich will helfen, Wunden zu heilen und Verletzungen zu verbinden, nicht neue Gräben aufzuschütten.

Sie fühlen sich in Ihrer Rolle als Pfarrer offensichtlich erheblich wohler als in der des Politikers...

Redlingshöfer: Ohne Frage, viel wohler. Richard Rohr, ein US-amerikanischer Franziskaner-Pater, hat einmal gesagt, das Schlimmste, was einem passieren kann, ist die Karriereleiter hochzuklettern und irgendwann zu merken, dass man diese Leiter an die falsche Wand gestellt hat. So ist es mir vor zehn Jahren ergangen. Da, wo ich jetzt bin, da ist mein Platz. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mich mehr erfüllt, zwei Stunden am Bett eines Schwerkranken zu sitzen als bei einer Bürgerversammlung Applaus von hundert Leuten zu erhalten.

Sind Sie überhaupt noch an der Politik interessiert?

Redlingshöfer: Freilich lese ich Zeitung, aber ich würde mal sagen, ich bin nicht mehr oder weniger politisch interessiert als jeder andere auch. Mein Schwerpunkt ist ganz klar die Arbeit als Seelsorger. Ich will nah bei den Menschen sein, bei ihren Sorgen und Nöten im Alltag. Und da ist die Politik erst einmal ganz weit weg.

Aber die Kirche sollte doch auch gesellschaftspolitisch Stellung beziehen, finden Sie nicht?

Redlingshöfer: Freilich wird es immer Themen geben, zu denen ich klar meine Meinung äußere. Und da hat sich die Kirche, wie es ihre Aufgabe ist, immer auf die Seite der Unterdrückten, Schwachen und Armen zu stellen. Aber Kommentare zu den großen politischen Diskussionen sind meine Sache nicht.

Hat die Theologie Ihren Blick auf die Politik verändert?

Redlingshöfer: Sicher, sehr stark sogar. Ich bin ein anderer Mensch geworden. Mir ist klargeworden, dass vieles, über das ich mich früher in der Politik gestritten habe, eigentlich unwesentlich ist. Und viele Auseinandersetzungen waren die Streitereien gar nicht wert. Die Gewichte haben sich verschoben. Politik regelt die äußeren Rahmenbedingungen, doch das, was ein Leben ausmacht und trägt, sind die inneren Werte. Ich werde keine Politikerschelte betreiben, das ist mir fremd, die tun ihren Job, und die brauchen wir auch. Doch mein Weg ist es nicht. Jeder Mensch muss selbst herausfinden, was seine Mission ist. Ich habe das gerade noch rechtzeitig entdeckt.

Sie waren jahrelang Gabriele Paulis engster Mitarbeiter. Haben Sie noch Kontakt?

Redlingshöfer: Nein, unsere Wege haben sich auseinanderentwickelt.

Seit Ihrem Weggang hat Ihre frühere Chefin vorübergehend viele Schlagzeilen geschrieben. Wie beurteilen Sie das als ihr früherer Berater und Kritiker?

Redlingshöfer: Als Pauli Stoiber stürzte, hat mich das Bayerische Fernsehen hartnäckig um einen Kommentar gebeten, ich habe damals nichts gesagt und ich möchte es heute auch nicht tun. Aber wenn Sie mich so drängen, vielleicht so viel ganz allgemein: Es ist quer durch alle Parteien zu beobachten, dass der, der sich am besten inszenieren kann, die meiste Aufmerksamkeit erhält. Die Versuchung, diesem Phänomen zu erliegen, ist für Politiker groß. Das ist schade, denn so wird die Show wichtiger als die Substanz.

 

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