Von wegen "Halligalli": Gustavstraße hat neuen Fan in München
17.7.2014, 06:00 UhrOtto Hünnerkopf hatte damals im Plenum des Landtags die Aufgabe, die Position seiner Partei, der CSU, zu erklären. Er mühte sich – doch für viele blieb das Nein der Konservativen, die Biergärten nicht mit Freischankflächen gleichsetzen wollten, unverständlich.
Das Problem: Während die Biergartenverordnung regelt, dass um 23 Uhr Schluss sein muss, bestimmen bei Freischankflächen die Kommunen die Sperrstunde; Nürnberg, Erlangen und Fürth haben sich für 23 Uhr entschieden. Das Verwaltungsgericht Ansbach jedoch, das sich vor einem Jahr mit einer Klage aus Fürth befasste, betrachtete das als zu großzügig und pochte darauf, dass die Nachtruhe um 22 Uhr beginnen müsse.
Das Urteil, warnt Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung seitdem immer wieder, könnte Auswirkungen für ganz Bayern haben. Die Stadt ist in Berufung gegangen. „Mit der Biergartenverordung wäre ein Ende um 23 Uhr sicher gewesen“, sagt Rechtsreferent Christoph Maier.
Dass es dazu nicht kam, lag auch am unterfränkischen CSU-Mann Hünnerkopf, Vize-Vorsitzender des Umweltausschusses. Er hielt die von der SPD angestoßene Ausweitung der Verordnung für wenig sinnvoll, auch weil das Problem ein Fürther Problem zu sein schien – und die Gustavstraße sich, wie er sagte, zum „Dauer-Oktoberfest“ entwickelt habe.
Eine Aussage, die er am Montagabend, gegen 19.30 Uhr, zurücknahm. Da stand Hünnerkopf zum ersten Mal selbst in der Straße, um die es geht. Vor den Kneipen saßen Menschen, die aßen, ein Feierabendbier tranken, sich unterhielten. Es war anders, als es sich Hünnerkopf vorgestellt hatte.
Aus Gesprächen mit Kollegen und aus einer inzwischen prämierten Fernsehdokumentation der Fürther Medien-Praxis hatte er den Eindruck gewonnen, „da ist ständig Halligalli“, sagte er auf FN-Nachfrage. Es sei einem nicht immer möglich, sich vor Ort zu informieren. „Hätte ich mich hier umgesehen, wären meine Worte deutlich zurückhaltender gewesen.“ Er könne sich zwar vorstellen, dass es bei Festen oder einer Aufstiegsfeier laut zugeht. Aber: „Zumindest heute, hier und jetzt kann ich verstehen, dass sich Leute dafür einsetzen, dass es so bleibt. Das würde ich auch machen.“
Keine "Partymeile"
Umringt war Hünnerkopf dabei vom Fürther OB und der Fürther CSU-Landtagsabgeordneten Petra Guttenberger, die ihn eingeladen hatten, von SPD–Fraktionschef Sepp Körbl, CSU-Fraktionschef Dietmar Helm, zwei Wirten und einem Anwohner, die alle eifrig für die Straße warben: Jung schilderte etwa, dass Aufstiegsfeiern selten seien und hier die älteste Fürtherin, Berta Pöppl, bis zu ihrem Tod lebte, ohne sich an der Geräuschkulisse zu stören; der Anwohner versicherte, er könne gut schlafen; Körbl klagte, die Straße werde zu Unrecht als „Partymeile“ bezeichnet, und Guttenberger bestätigte: „Das sieht man an den Speisekarten, das sind keine Partykarten.“
Es war die Aufgabe des Rechtsreferenten Christoph Maier, daran zu erinnern, dass dennoch regelmäßig die Lärmgrenzwerte überschritten werden. Maier war es auch, der entschieden einschritt, als der Anwohner seinem Unmut über die Kläger freien Lauf ließ und sich wünschte, dass die Stadt sie „ausbürgern“ könne. So ein Denken sei gefährlich, konterte Maier, der bereits in der Vergangenheit Sorge über die aufgeheizte Stimmung geäußert hat. Er sei froh, „dass wir niemanden verbannen können, der dem Volksempfinden zuwiderläuft“. Wenn Gesetze an der Wirklichkeit vorbeigehen, müsse man diese ändern; das sei der einzige Weg.
Jung indes zeigte – wie schon oft in diesem Konflikt – wenig Verständnis für die Rechte von Minderheiten: Es könne nicht sein, dass „einige wenige den Charakter einer Straße verändern“. Dadurch gehe das „Vertrauen in die Demokratie“ verloren.
Der OB erzählte dann von München, wo man an Wochenenden ein Freischankende um 24 Uhr testet. Diese Lockerung allerdings, klärte Maier auf, würde das Problem in Fürth nicht lösen. Denn in München gilt: Sobald sich Anwohner beschweren, wird die Kneipe überprüft. Werden Lärmwerte nicht eingehalten, muss der Wirt wieder früher Schluss machen.
Hünnerkopf versprach am Ende des Besuchs, nachdem er sich ein Bier in der Kaffeebohne und etwas zu essen im Gelben Löwen bestellt hatte, mit Guttenberger eine Lösung für die Gustavstraße anzustreben. Die Biergartenverordnung tauge dafür nicht, „wir müssen uns mit den Lärmwerten befassen“. Wenn schon eine Unterhaltung die ab 22 Uhr geltende Grenze von 45 Dezibel überschreitet, „kann das nicht der Maßstab sein“.
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