Wie viel Zeit mit Tablet und Co. ist jetzt ok?
12.4.2020, 10:00 UhrDer digitale Unterricht fällt weg, und Ausflüge sind in diesen Ferien kaum möglich – damit gibt es viel mehr Zeit für die Mediennutzung. Wie finden Eltern und Kinder das richtige Maß?
Wenn man mehr zuhause bleiben muss und wichtige Alternativen fehlen — wie zum Beispiel der Sportverein, das Treffen mit Freunden, der Spielplatz — , dann ist man sehr stark auf Bildschirmzeit zurückgeworfen. Ich denke schon, dass Eltern damit jetzt großzügiger sein müssen. Auch weil sich die Kinder eben virtuell mit den Freunden austauschen. Das heißt aber nicht, dass die Eltern von der Verantwortung entbunden sind, das ein Stück zu kontrollieren. Ich rate dazu, dass man Zeiten für die Mediennutzung festlegt und auch Auszeiten organisiert, dass man das also nicht einfach komplett dem Tagesverlauf überlässt, sondern eine gewisse Struktur vorgibt.
Wie viel sollten Eltern auch bei den Inhalten mitreden?
Tatsächlich sollten sie noch mehr als sonst darauf achten, wie Kinder und Jugendliche ihre Online-Zeit nutzen. Gerade bei den Jüngeren sollten sie sich stärker einklinken und die Qualitätsauswahl auch gemeinsam mit den Kindern treffen: Was schauen wir an? Was erlauben wir? Die Sendung mit der Maus zum Beispiel ist prima für kleine Kinder, bei den Älteren kann man schauen, welche Netflix-Serien gut bewertet wurden. Für noch wichtiger halte ich es im Moment, mit den Kindern und Jugendlichen über die Informationen zu sprechen, die sie vor allem über die Krise bekommen. Das Thema Fake News erhält da noch mal eine andere Aktualität.
Woran denken Sie da?
Je länger die Krise dauert, desto mehr Leute interpretieren wissenschaftliche Ergebnisse oder entwerfen Zukunftsszenarien, die auch Angst machen können. Die Jugendlichen bewegen sich ja außerhalb der seriösen Medien, die finden Nachrichten nicht auf nordbayern.de. Gerade bei denen, die jetzt vor dem Schulabschluss stehen, gibt es viel Unsicherheit. Deshalb ist es hilfreich, manches im Gespräch zurechtzurücken, um Panik zu vermeiden. Wobei die Jugendlichen auch auf gute Sachen stoßen: Die YouTuberin Mai Thi Nguyen-Kim hat mit einem 22-minütigen Video, in dem sie den Ausnahmezustand wegen Corona erklärt, schnell eine hohe Glaubwürdigkeit bei jungen Menschen erreicht — eine Art Rezo für die Krise.
Die Interessen gehen oft stark auseinander. Haben Sie Vorschläge, wie Familien trotzdem auch mal gemeinsam vor dem Bildschirm sitzen können?
Klar. Das kann natürlich im Wohnzimmer sein, wo man zusammen eine Serie anschaut oder was aus der Mediathek. Aber man kann auch online eine Watch Party machen und die Oma oder die Tante dazuholen. Bei Netflix kann man zurzeit zum Beispiel gemeinsam Filme gucken, mit einem Chat-Kanal. Das kann witzig sein. Jugendlichen sind Erlebnisse mit Freunden, aber auch mit der Familie enorm wichtig, das zeigt sich bei jeder Jugendstudie. Und da bieten die Medien gute Möglichkeiten.
Also dann: Her mit Vorschlag Nummer zwei, bitte!
Man könnte eine Online-Spielrunde mit den Großeltern, der Tante, den Nachbarn organisieren. Mit einem Spiel, das jeder kennt, wie Monopoly oder Mensch-Ärgere-Dich-nicht. Jugendliche können so etwas gut installieren. Interessant finde ich, dass auch die Weltgesundheitsorganisation, die Computerspiele sonst wegen dem Suchtfaktor eher kritisch sieht, nun darauf hingewiesen hat, dass sie ein Mittel gegen soziale Isolation und Depression sein können. Natürlich muss man Maß halten. Aber: Computerspiele sind wirklich ein Stück Vergesellschaftung, die jetzt noch möglich ist. Deswegen rufen wir momentan auch zum größten E-Sports-Turnier der Region, den Franken Finals, auf.
Wie viel sollten Schüler in diesen ungewöhnlichen Ferien für die Schule tun?
Die intensive Beschulung hat zuletzt ja nicht stattgefunden. Schüler vor dem Abschluss oder Grundschüler vor dem Übertritt sollten schon dranbleiben und Gelerntes verfestigen. Allen anderen kann ein bisschen Schule auch Struktur geben. Es muss ja nicht immer das ganz anstrengende Lernen sein.
Familien können mit Medien auch kreativ werden. Haben Sie spontan einen Tipp, der sich leicht umsetzen lässt?
In Familien, in denen es mehr Kinder gibt, können die Älteren für die Jüngeren kleine Hörbücher erstellen. Dafür nutzen sie einfach die Diktierfunktion des Handys, mit kostenlosen Programmen wie Audacity kann man die Aufnahme auch schneiden. Der Zwölfjährige kann sich für den Fünfjährigen was ausdenken oder einfach eine Geschichte vorlesen und als MP 3 zur Verfügung stellen. Das können natürlich auch Großeltern für die Enkel machen oder die Nachbarn für die Kinder, die sie sonst mitbetreuen. Wir von der Medienfachberatung helfen gerne individuell, wenn Familien Rat brauchen – für erste Trickfilme, Hörspiele oder auch Beiträge für unsere Wettbewerbe.
Noch mal zurück zum schwierigsten Punkt: Wie begrenzt man die Medienzeit vernünftig?
Die Altersfrage ist wichtig, aber man muss auch mit den Kindern verhandeln, wie die Freunde online sind. Es sollte auf jeden Fall feste bildschirmfreie Zeiten geben, in denen dann auch nicht darüber diskutiert wird. Gefragt ist mal wieder ein Spagat: Eltern können toleranter sein als sonst — sie sind ja ohnehin schon mehr bei der Betreuung und Freizeitgestaltung gefordert. Wenn man aber zu viel zulässt und die Schulen länger geschlossen haben sollten, wird es schwieriger, diese sehr anstrengende Medienerziehung später wieder auf das Maß zurückzuholen, das wir eigentlich haben wollen.
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