Wieder Streit mit dem Denkmalschutz
17.12.2013, 09:00 UhrDas Vorhaben der Fürther Lebenshilfe klingt vorbildlich. In einem der Geschäftshäuser, die MIB entlang der Rudolf-Breitscheid-Straße baut, soll ein Café entstehen, das weitgehend von Menschen mit Behinderung geführt wird. Die Lebenshilfe würde dort als Franchise-Partner der Café-Kette Samocca auftreten. Zwar gibt es deutschlandweit gut ein Dutzend Samocca-Cafés, die allesamt Arbeitsplätze für Behinderte bieten, aber noch keines in der Region. Trotzdem birgt das Projekt Konfliktpotenzial: Der notwendige barrierefreie Ausbau kommt dem Denkmalschutz in die Quere.
Aber der Reihe nach: Für das Café haben MIB und Lebenshilfe den ersten Stock der Breitscheidstraße 4 vorgesehen. Ein „ausgezeichnet“ erhaltenes Gebäude aus dem Jahr 1840 mit „künstlerisch überdurchschnittlicher Jugendstilausstattung“, findet das Landesamt für Denkmalpflege. Eine „besondere Erwähnung“ verdienten die „zahlreichen Stuckdecken“ in „sehr facettenreichen Erscheinungsformen“. Problematisch wird es, weil der MIB-Neubau, der auf dem Wölfel-Areal von hinten an die alten Häuser an der Breitscheidstraße andocken wird, eine andere Raumhöhe hat. Der Fußboden des ersten Stocks ist exakt um 76 Zentimeter höher als im Altbau. Diesen Unterschied über eine Treppe auszugleichen, schließt das Samocca-Konzept aus – und eine behindertengerechte Rampe, das hat die Lebenshilfe ausgerechnet, müsste völlig absurde 15 Meter lang sein.
In ihrer „fachlichen Stellungnahme“ nennt die Lebenshilfe eine Lösung: Die Erdgeschossdecke müsste auf das Niveau des Neubaus angehoben werden, was allerdings zur Folge hätte, dass sich Besucher die Köpfe an der Decke des ersten Stocks stoßen würden. Diese müsste also raus, die Räume würden dann „durch die Decke der ehemaligen zweiten Etage abgeschlossen“, heißt es.
Anders als bei den Häusern Breitscheidstraße 6 und 10, die MIB ebenfalls entkernen will, die laut Landesamt aber schon in früheren Zeiten stark verändert worden waren, beharrt die Münchner Behörde auf der Unversehrtheit der Hausnummer 4. Weil dort auch alle Tragwände entfernt werden sollen, wirft das Landesamt MIB vor, das Gebäude „architektonisch zu entbeinen und seiner historischen Aussage und künstlerischen Bedeutung völlig zu berauben“.
Wie schon beim Festsaal obliegt die Entscheidung der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Fürth. „Wir müssen wissen, was uns wichtiger ist – die Nutzung oder das Denkmal“, sagte Baureferent Joachim Krauße in der jüngsten Sitzung des Bauaussschusses. Ihm zufolge hätte das Café sogar einen Vorteil: Denn käme in den ersten Stock ein Laden, würde MIB die Sandstein-Fassade aufbrechen, um ein erkerähnliches Schaufenster einzubauen. Das Samocca-Café braucht dieses Fenster nicht. „Wir würden tränenden Auges den Abriss der Decke in Kauf nehmen, dafür aber die Fassade erhalten“, so Krauße.
Für SPD-Fraktionschef Sepp Körbl ist die Sache klar: Das Café sei eine Bereicherung, der Erhalt der Fassade lasse den Verlust der Decke verschmerzen. Stadträte anderer Parteien lobten ebenfalls das Projekt, fühlten sich aber überrumpelt, weil das Thema kurzfristig ohne Ankündigung auf die Tagesordnung gekommen war. Joachim Schmidt (CSU) sprach von einem „Hauruck-Verfahren“, der Grüne Harald Riedel sagte, dieses Vorgehen sei „eines demokratischen Gremiums nicht würdig“.
Oberbürgermeister Thomas Jung, der sich in der Debatte zurückgehalten hatte, weil er Vorsitzender der Lebenshilfe ist, konterte, laut Gemeindeordnung könne Baureferent Krauße die Entscheidung eigentlich alleine treffen; stattdessen aber „informiert er und holt Rückmeldungen ein“.
Da es noch Diskussionsbedarf gibt, wird das Projekt an diesem Mittwoch Thema in der Stadtratssitzung.
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