Tanzschule
Wo Fürther Bekanntschaft mit dem Rhythmus machen
3.4.2015, 18:00 UhrSeine erste Erinnerung an die Tanzschule? Manfred Streng muss nicht grübeln. „Da war ich ein kleiner Junge, drei oder vier Jahre alt. Mein Großvater hat mir einen großen Hebel gezeigt, den ich umlegen durfte, und dann ging mit einem Mal im ganzen Saal das Licht an.“
Der 74-Jährige führt die Fürther Institution seit 1961, gegründet wurde die Tanzschule von seinem Urgroßvater Carl Friedrich Streng. Der Sohn eines „königlich bayerischen Pfarrers“ gab in der Saison 1889/1890 die ersten Kurse. Zunächst wurde in seiner Wohnung geübt, dann mietete er einen kleinen Saal in der Theaterstraße.
Für die regelmäßigen Bälle ging es von Anfang an in den Weißengarten. Dort gab es nicht nur einen beliebten Biergarten und ein Lokal, sondern seit 1871 auch einen eleganten Ballsaal. Johannes Streng übernahm die Tanzschule von seinem Vater Carl Friedrich und erstand 1919 mutig den Weißengarten. Trotz Inflation und Wirtschaftskrise florierte sein Unternehmen. 1943 war es damit vorbei, Tanzen wurde verboten, und es stand auch niemandem mehr der Sinn danach. Nach dem Krieg kamen die Amerikaner und beschlagnahmten den Weißengarten.
Soldaten auf dem Flügel
„Im kleinen Saal war der Offiziersclub, im großen lagen die Mannschaftsräume“, erzählt Manfred Streng. Die Soldaten übertünchten eierschalenfarbene Wände, vergoldeten Stuck mit blauer Ölfarbe und tanzten auf dem Flügel. Als die Amerikaner 1949 abzogen, gab es für den Zustand des einst so liebevoll gehegten Ballsaals nur noch ein Wort: „Verwahrlost.“ Johannes Streng, inzwischen 70 Jahre alt, musste von vorn beginnen, unterstützt von seiner Schwiegertochter Karoline. Sein Sohn Alfred, der Vater seines Enkels Manfred, hatte Stalingrad überlebt, war aber in russischer Kriegsgefangenschaft gestorben.
Als Manfred Streng die Tanzschule zu seiner Aufgabe macht, tönen Elvis und Hugo Strasser aus den Lautsprechern. Vom einstigen Glanz ist im Weißengarten nichts mehr zu ahnen. Der junge Mann, der gerade seine Tanzlehrerausbildung absolviert hat, lässt sich nicht einschüchtern: „Der Betrieb war zunächst völlig marode, aber 1963 hatten wir wieder alle Fürther Schüler bei uns.“ Schritt für Schritt bringt er das Anwesen in Ordnung. „Wenn es geregnet hat, habe ich anfangs Sektkühler im Saal aufgestellt, weil das Dach undicht war.“
Unterstützt von seiner Frau Ingrid gelingt es ihm, den Weißengarten erneut zu einem Fürther Herzstück zu machen. Dabei verfolgt Streng eine Idee, die in jenen Tagen neu ist: „Damals sollte man aus jedem Tanzschüler einen Turniertänzer machen. Das wollten wir nicht. Bei uns ging es stets ums gesellige Tanzen aus Spaß an der Freud’, obwohl wir später natürlich auch schöne Erfolge mit unseren Formationen hatten.“
Und wieder spiegelt sich in der Tanzschule wider, was sich in der Welt tut. Manfred Streng erinnert sich: „Anfang der 70er kam die Apo-Generation, da sah man in den Kursen auf einmal grüne Parkas und es hieß: ,Wir wollen nicht tanzen, sondern diskutieren‘.“ Der Hausherr löste solche Situationen mit Diplomatie, genauso wie er mit wechselnden Moden umging. „Plötzlich trug man einen Pulli unter dem Anzug, und die Damen kamen in Hosenanzügen, was aber schick aussehen konnte. Andere erschienen auf einmal wie zum Wandertag . . .“
Längst gibt es im Haus weit mehr als die klassischen Tanzkurse. Der Spaß beginnt für Zweijährige in den „Pampersrocker“-Kursen. Es gibt Angebote für Singles oder Paare, für Senioren oder Fans von Latino-Fitness. Tanzkurse für Menschen mit Behinderung wurden in Kooperation mit der Lebenshilfe Teil des breitgefächerten Programms. Während neue Looks und Tänze Einzug hielten, arbeitete Streng weiter am Weißengarten.
Sein außergewöhnlichstes Projekt realisierte er Anfang der 80er Jahre: Mit Hilfe eines Förderbandes wurde der große Ballsaal nachträglich im Bergwerksverfahren unterkellert. In den so entstandenen neuen Tanzkeller zog auch ein Restaurant ein. Die Gestaltung war selbstverständlich Chefsache: „Ich bin Bastler“, schmunzelt Manfred Streng und erzählt, wie er Sitzecken in Form von Eisenbahnwagons in die Räume baute. Für Feste und Bälle fertigt er gern stilechte Dekorationen. Gondeln, zum Beispiel, oder Kutschen – in Originalgröße.
Traum vom Kronleuchter
Ein Projekt geht ihm nun schon lange im Kopf herum: Im Ballsaal soll wieder ein prächtiger Kronleuchter hängen. Das Original aus dem 19. Jahrhundert hatten die Amerikaner demontiert. Ein Arm des guten Stücks aber ist erhalten geblieben. „Ich hab’ schon ein paar gute Ideen, wie ich den nachbauen kann – vielleicht aus Pappmaché“, verrät der 74-Jährige und plant: „Spätestens beim nächsten Jubiläum ist der Leuchter fertig.“
Geschäftsführerin Manuela Sträßner, die sich bereits während ihres Jura-Studiums in der Tanzschule engagierte, nimmt ihn beim Wort. Denn beide wissen: „Es wird weiter getanzt – und es wird weitergehen bei Streng.“
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