Zirndorf gibt den Opfern einen Namen
19.11.2017, 14:00 UhrEin Schwarz-Weiß-Bild, aufgenommen kurz nach jener Nacht, aus dem Zirndorfer Stadtarchiv zeigt eine Gruppe von SS- und SA-Angehörigen. Lässige Typen stehen mit stolzer Körperhaltung vor dem Haus der jüdischen Synagoge, der Schule, der Wohnung des Rabbis in der heutigen Kleinstraße 2. Sie sind schließlich "Helden des Reiches". Ein weiteres Foto zeigt die verwüstete Wohnung des Rabbis.
Aber natürlich lag der Fall anders: Diese Männer haben sich von den Nazi-Schergen, allen voran Propagandaminister Joseph Goebbels, gerne aufwiegeln lassen, mit Gewalt gegen jüdische Mitbürger vorzugehen. Diese Nacht wird allgemein als der Auftakt der systematischen Judenverfolgung in Deutschland bezeichnet.
Christine Gottschalk vom Zirndorfer Stadtmuseum und Stadtführerin Elke Eder haben eingeladen. Es ist ein düsterer Abend, der November zeigt sich von der kalt-feuchten Seite. Es ist trotzdem eine große Gruppe Zirndorfer gekommen, um sich einem Rundgang anzuschließen, der zu den Häusern und Arbeitsstätten führt, wo damals Juden zu Schaden kamen.
"Jeder Mensch hat einen Namen" lautet das Motto dieses Gedenkspaziergangs. An den historischen Orten der Plünderung, Zerstörung, Vertreibung der Menschen jüdischen Glaubens aus ihren Wohnungen wird 79 Jahre nach den Taten den Opfern ein Name gegeben, ihnen zu Ehren ein Psalm verlesen. Zum Beispiel für Siegfried, Josef und Hertha Weinstein aus der Badstraße 18. Sie wurden 1938 aus ihrer Mietwohnung vertrieben. Ihre Spur verliert sich wenige Jahre später in Riga.
Andere wurden nach Theresienstadt deportiert oder in Auschwitz ermordet. Sie starben in Arbeitslagern, verhungerten, wurden bei Vergasungen in Autos auf dem Weg zum vorbereiteten Massengrab umgebracht. Nur von den wenigsten weiß man das Datum.
Ende des Miteinanders
Man kennt diese Gräuel: Deutschland wird international anerkannt, wegen seiner "Erinnerungskultur". Doch die Stimmen jener, die genug haben vom Gedenken, sind nicht mehr zu überhören. Denen widerspricht Museumsleiterin Christine Gottschalk entschieden: "Es gibt Menschen, die wollen mit der Vergangenheit abschließen. Neuerdings sitzen etliche im Bundestag unter dem Namen der AfD. Wir aber müssen gedenken, damit klar ist, dass niemals mehr ein Mensch wegen seines Glaubens in diesem Land diskriminiert oder verfolgt werden darf." Unter den Begleitern dieses Gedenk- und Mahnspaziergangs gibt es dazu keine zwei Meinungen.
Die Reichspogromnacht markiert auch das Ende eines friedlichen Miteianders, das in Zirndorf viele Jahrhunderte ohne großes Aufhebens existierte. Bereits im 16. und 17 Jahrhundert haben sich etliche jüdische Familien hier angesiedelt. Als 1685 der Markgraf Johann Friedrich den ansässigen Juden gestattete, eine Synagoge zu errichten, wurden es schnell mehr. Der Bevölkerungsanteil der Juden in Zirndorf war hoch, um die zwölf Prozent. Es kamen viele, die aus Nürnberg vertrieben wurden – vor allem Viehhändler, Handwerker, einfache Menschen, die hier zu Zirndorfern wurden.
Als die Nazis die Herrschaft ergriffen, machten sie sofort ernst, mit der systematischen Hetze gegen die Juden. Doch erst nach den olympischen Spielen 1936 ergriffen sie die Ermordung des NSDAP-Legationssekretärs Ernst Eduard vom Rath in Paris durch den 17-jährigen Juden Herschel Grynszpan als Gelegenheit, um loszuschlagen.
Systematisch wurde in allen Massenmedien gegen die Juden gehetzt und zur Vergeltung aufgerufen. Allerdings wurden viele der Schandtaten vom November 1938 nicht von Bürgern, sondern von SA-Einheiten unternommen, wie Elke Eder betont. Doch von diesem Tag an begann die systematische Gefangennahme und Ermordung der Juden.
Diesen Menschen einen Namen zu geben, war das Anliegen der jetzigen Novembernacht. Der Rundgang endete vor dem Haus in der Kleinstraße 2, damals Synagoge, heute Privatbesitz. Insgesamt wurden 22 Namen, die bekannt sind, verlesen, längst nicht alle Zirndorfer, für die in jener Nacht der Schrecken ohne Ende begann.
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