227 Millionen Euro für den Autobahn-Ausbau
Fünfjährige Mega-Baustelle beendet: Freie Fahrt am Kreuz Fürth/Erlangen
31.8.2021, 17:05 UhrAls am 2. März 2017 die versammelten Honoratioren die Schaufeln in den Sandhaufen rammten, um den Spatenstich für den Umbau des Autobahnkreuzes Fürth/Erlangen zu zelebrieren, sparte Dorothee Bär (CSU), damals Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, nicht mit hochtrabenden Worten. „Das ist ein sehr guter Tag für Franken. Ein Meilenstein für ein noch lebenswerteres Erlangen und für eine größere Wettbewerbsfähigkeit unserer Heimat“, sagte sie.
"Wie aus der Zeit gefallen"
Jetzt, knapp viereinhalb Jahre später, ist das Kreuz offiziell für den Verkehr freigegeben, nur noch Restarbeiten sind zu erledigen. Und jetzt lacht Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) erst einmal herzhaft auf die Frage, um wie viel lebenswerter seine Stadt denn nun durch dieses gewaltig dimensionierte Projekt geworden ist. „Es wirkt wie aus der Zeit gefallen mit so riesig viel Platz für den Autoverkehr. Ich weiß nicht, ob man das heute noch so machen würde“, sagt er.
Heute, das ist die Zeit, in der die Verkehrswende in immer mehr Köpfen anzukommen scheint. Und heute ist vor allem auch die Zeit, in der die Corona-Pandemie mit ihren Trends hin zu Homeoffice und Videokonferenzen viele Fahrten überflüssig gemacht hat.
Damals aber, als man das Projekt beschlossen und geplant hatte, war man fest davon überzeugt, dass es den Ausbau braucht, um einen Verkehrsinfarkt zu vermeiden. Schon seit dem Jahr 2005 sei das Kreuz überlastet, hieß es. Allein auf der A3 passierten bereits 2015 pro Tag 94.000 Fahrzeuge das Kreuz, 2025 sollen es laut Prognose 104.000 sein.
Und so beschloss man, am Ende 227,21 Millionen Euro in das Projekt zu investieren, 110.000 Quadratmeter zu asphaltieren, 28 Kilometer Rohrleitungen zu verlegen und Bodenbewegungen im Umfang von 600.000 Kubikmetern anzustoßen.
"Over-Under-Fly" als neues Herzstück
Ganzer Stolz der Ingenieure ist hier der „Over-Under-Fly“, der in einer sanft geschwungenen Kurve den Verkehr auf der am stärksten belasteten Verbindung von der A73 aus Richtung Bamberg auf die A3 in Richtung Nürnberg-Nord leitet. „Die alte Kreisfahrbahn konnte den hohen Verkehr auf dieser Verbindung nicht mehr aufnehmen. Ein Umbau des Autobahnkreuzes war daher unerlässlich“, erklärt die Autobahn GmbH.
OB Janik ist zunächst einmal froh, dass diese monströse Baustelle nun weitgehend Geschichte ist. „Sie hat die Stadt und die Pendler extrem belastet“, sagt er. Durch die vielen Unfälle habe sie vor allem auch die Erlanger Einsatzkräfte viel Energie gekostet. Janik will künftig eher auf Alternativen zum Autoverkehr setzen und die Straßen dadurch entlasten, als auf mehr Verkehr immer nur mit weiteren Straßen zu antworten.
„Die höchste Steigerung der Lebensqualität haben sicherlich die direkten Anwohner, die jetzt einen ordentlichen Lärmschutz bekommen haben. Teilweise gab es da ja vorher gar keinen oder nur einen rudimentären“, erklärt Erlangens OB. Nun wurden bis zu 13 Meter hohe Lärmschutzwände gebaut, dazu wurde auf 2,4 Kilometern Länge lärmmindernder Asphalt aufgebracht.
Scheuer: "Wir machen weiter, wir machen Tempo"
Bei der offiziellen Verkehrsfreigabe für das Mammut-Projekt gab es nun am Dienstag natürlich nur lobende Worte von offizieller Seite. „Eine der wichtigsten Mobilitätsdrehscheiben Bayerns ist fit für die Zukunft gemacht worden“, sagte Wolfgang Wüst vom Bayerischen Verkehrsministerium.
„Wir reinvestieren Steuergeld in die Region. Die Bürger sollen sehen, dass was vorwärtsgeht. Wir machen weiter, wir machen Tempo“, versprach Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) - und musste anschließend kräftig schlucken, als die beiden Kirchenvertreter zu den Fürbitten übergingen.
Nachdem sein katholischer Kollege Michael Pflaum Gott darum gebeten hatte, die Verkehrsteilnehmer dafür zu sensibilisieren, wann man auf Autofahren verzichten könne, bat Erlangens evangelischer Dekan Peter Huschke eindringlich darum, die politischen Entscheidungsträger zum Nachdenken über allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzungen zu bringen.
Fürbitte macht Scheuer sprachlos
Scheuer, der sich zuvor geflissentlich bekreuzigt hatte, das Vaterunser sprach und jede Fürbitte erwiderte, blieb diesmal das „wir bitten dich, erhöre uns“ sichtlich im Halse stecken.
Denn nicht jeder befürwortet den Autobahnausbau uneingeschränkt. „Das war schon ein gewaltiger Eingriff in die Natur“, meint Landwirt Jürgen Eichenmüller, der im Umfeld des Autobahnkreuzes seinen Kuhstall und sein „Milchzapfhäusla“ stehen hat. Er musste Flächen für den Ausbau abgeben, die er nun zum Teil zurückbekommt.
Dort will er nun wieder Wiese oder Acker anlegen. „Das kommt auf die Strukturschäden durch die Bodenverdichtung an“, meint er. Die Autobahn GmbH muss ihm die Flächen im Urzustand zurückgeben. „Grundsätzlich erfolgt eine Tiefenauflockerung und danach eine Andeckung mit dem von der Fläche abgeschobenen und zwischengelagerten Oberboden“, erklärt die Behörde die Vorgehensweise. Etwa 12.000 Quadratmeter sollen nun wieder zurückgegeben werden.
Und auch sonst steht trotz der offiziellen Verkehrsfreigabe noch einiges an. Bis Ende September sollen die Rekultivierungsarbeiten abgeschlossen sein, bis Mitte Oktober werden in Nachtarbeiten noch einzelne Schilderbrücken eingehoben. Und der Lärmschutz für Eltersdorf wird gar erst im Frühjahr 2022 komplett fertig sein.
Bleibt das Kreuz so grau?
„Ganz schön üppig und verdammt grau“, ist das Autobahnkreuz laut Landwirt Eichenmüller geworden. Zumindest etwas mehr Grün soll es dort in Zukunft schon geben. Rasen ist bereits angesät, im kommenden Jahr sollen noch Büsche und Sträucher folgen. Im bescheidenen Ausmaß freilich, dürfen doch wichtige Sichtachsen nicht beeinträchtigt werden. Auch die übermächtig wirkenden Lärmschutzwände dürfen nicht bepflanzt werden.
Viel Grün könnte allerdings eines Tages nördlich des Kreuzes entstehen. Angedacht ist ein Deckel auf der Autobahn, der sich etwa 1100 Meter bis zur Ausfahrt Erlangen-Bruck hinzieht. Gleichzeitig soll auf diesem Abschnitt die Autobahn sechsstreifig ausgebaut werden.
„Das Ergebnis einer Nutzen-Kosten-Analyse war größer 1 und ist somit positiv für die Umsetzung des Projekts“, teilt die Autobahn GmbH mit. Eine Lenkungsgruppe aus Autobahn-Behörde und Stadt Erlangen soll im Herbst das weitere Vorgehen abstimmen.
Grüner Autobahn-Deckel soll Erlangen vereinen
Für Oberbürgermeister Florian Janik wäre der Deckel ein gewaltiger Gewinn. „Die A73 trennt hier die Stadt. Mit dem Deckel könnten wir die Trennung überwinden, die Menschen vor dem Lärm schützen, Grünflächen und Radwege schaffen und im Umfeld sogar Wohnbebauung ermöglichen“, sagt er.
Möglich ist so ein zusätzlicher Lärmschutz, den der Deckel bedeuten würde, derzeit allerdings nur mit einem Ausbau der Autobahn. „Es wäre mir lieber, wenn man die Regelungen so ändern würde, dass ein Deckel auch ohne Ausbau möglich wäre. Der Deckel bringt der Stadt Erlangen aber so viel, dass ich zur Not auch bereit wäre, einen Ausbau der Autobahn dafür in Kauf zu nehmen“, betont Janik.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen