NN/NZ-Klinikcheck
Gallenblasen-OP: Klinikum Nürnberg Nord auf dem Spitzenplatz
21.8.2021, 05:50 UhrIm großen NN/NZ-Klinikcheck werden 23 Krankenhäuser der Region verglichen, die die Entfernung der Gallenblase durchführen. Dieser Vergleich beruht auf Daten der AOK. Dabei fließen in die Bewertung unter anderem auch auftretende Komplikationen wie Blutungen oder Infektionen während und nach dem Eingriff mit ein. Auf dem zweiten Platz hinter den Nürnbergern folgt das Klinikum Bamberg - Betriebsstätte am Bruderwald und auf dem dritten das Klinikum Altmühlfranken Weißenburg.
Informationen zur Methodik finden Sie hier.
Alle Kliniken in Deutschland sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Fallzahlen und eventuelle Komplikationen zu melden. Gesundheitswissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg werten diese Daten für den Klinikcheck aus, so dass sich für die Behandlungsqualität in der Region ein Ranking ergibt. Von Häusern in der Kategorie zwei und drei ist allerdings nicht grundsätzlich abzuraten. Oft sind die Unterschiede, die den Ausschlag geben, nur gering.
Um die Infografik in voller Auflösung zu sehen, klicken Sie bitte hier.
Wozu braucht der Mensch eine Gallenblase?
Lebenswichtig ist sie nicht, das ist nur die Gallenflüssigkeit, die in der Leber produziert und kontinuierlich über den Gallengang in den Zwölffingerdarm ausgeschüttet wird. Diese zähe bräunliche Flüssigkeit braucht der Mensch vor allem, um fettige Speisen zu verdauen. Die Gallenflüssigkeit könnte man mit Spülmittel vergleichen - je fettiger das Geschirr, desto mehr benötigt man davon. "Die Gallenblase funktioniert wie ein Auffangbehälter, ein Reservoir. Sie schüttet Gallenflüssigkeit aus oder hält sie zurück, je nachdem wie viel gerade zur Verdauung benötigt wird", erklärt Hubert Stein, der Leiter der Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum Nürnberg.
Informationen zum Forschungsprojekt finden Sie hier.
Je fettreicher die Mahlzeit, desto mehr Gallenflüssigkeit schiebt die Gallenblase in den Gallengang. Wird sie entfernt, so übernimmt die Leber ihre Aufgabe. Patienten müssen nach der OP weder Diät halten noch Medikamente einnehmen. "Es gibt keine Einschränkungen in der Lebensqualität", betont Stein.
Wann muss die Gallenblase entfernt werden?
Wenn sie ihre Funktion nicht mehr ausüben kann und sich deshalb Steine bilden, die Beschwerden auslösen. "Kann die Gallenblase sich nicht mehr entleeren, dann stockt die Gallenflüssigkeit darin, die Salze kristallisieren aus, verkrusten und es bilden sich Gallensteine", erklärt der Chefarzt. Doch nur, wenn die Steine Probleme machen, wenn Patienten also mit Koliken, Schmerzen oder Fieber in die Klinik kommen, muss die Gallenblase raus. Gallensteine können winzig sein wie Grieß und groß wie Kiesel, so dass sie die komplette Gallenblase ausfüllen. Besonders gefährlich sind die kleinen Steine mit einer Größe von fünf bis sieben Millimetern, die sich auf den Weg in den Gallengang machen und dort in einer Engstelle stecken bleiben.
Spezialangebot zur Serie: Lesen Sie den Klinikcheck 4 Wochen lang für nur 19 Euro! Jetzt Angebot entdecken!
Wie schnell muss operiert werden?
"Wenn die Patienten nur Druckgefühl im Oberbauch oder eine Kolik haben, dann kann man das medikamentös lindern und den Eingriff ein paar Wochen später planen", erklärt Stein. Höchste Zeit ist es, wenn sich die Gallenblase bereits entzündet hat, denn die Keime können sich auf Nachbarorgane ausdehnen und eine Bauchfellentzündung auslösen. Es könnte zu einer lebensbedrohlichen Sepsis kommen, bei der sich eine Infektion über das Blut auf den ganzen Körper ausbreitet.
Eile ist ebenfalls geboten, wenn die Steine den Gallengang verstopfen und sich die Flüssigkeit zurückstaut, denn dann könnte die Gallenblase platzen und ihren Inhalt in den Bauchraum ergießen. Staut sich die Gallenflüssigkeit bis in die Leber zurück, besteht die Gefahr einer Gelbsucht. Auch die Bauchspeicheldrüse kann sich entzünden, wenn ihre Verdauungssäfte durch einen Gallenstein blockiert werden und nicht mehr abfließen. Bei etwa 400 Patienten pro Jahr - der Hälfte der Fälle am Klinikum Nürnberg Nord - wird die Gallenblase so schnell wie möglich operiert, also innerhalb von 24 bis 48 Stunden.
Um die Infografik in voller Auflösung zu sehen, klicken Sie bitte hier.
Wer ist der typische Patient?
Etwas mehr als zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen, meist im Alter über 50, die mehrere Kinder geboren haben und leicht adipös sind. "Dass Männer nicht so häufig an Gallensteinen leiden, hat mit ihrem Hormon-Stoffwechsel und ihrer Körpermasse zu tun. Frauen haben eine andere Fett- und Muskulatur-Verteilung", sagt Hubert Stein. Vorbeugen lässt sich nur bedingt durch gesunde Ernährung und viel Bewegung.
Wie wird operiert?
Die Schlüsselloch-Chirurgie, also eine minimal-invasive Technik, ist Standard. Dabei werden Teleskop-Instrumente durch drei kleine Schnitte in den Bauchraum eingeführt. "Bevor wir operieren, müssen wir allerdings ganz sicher sein, dass Gallensteine die Ursache für die Probleme des Patienten sind", sagt Stein. Die Diagnose wird per Ultraschall und auch anhand von Blutwerten gesichert.
Außerdem überprüfen die Ärzte, ob nicht schon ein Stein irgendwo feststeckt. Ist das der Fall, so wird er vor der Gallenblasenentfernung durch Mund und Magen endoskopisch herausgeangelt. Nach der Operation wird die Gallenblase in die Pathologie geschickt und auf Tumorzellen untersucht. Es bringt nichts, nur die Steine und nicht die Blase zu entfernen. "Eine Gallenblase, die Probleme macht, wird das immer wieder tun", sagt der Chefarzt.
Was tut das Klinikum Nürnberg Nord, um im Ranking der Gallenblasen-Operationen so hervorragend abzuschneiden?
Durchschnittlich entfernt das Team um Professor Stein zwei bis drei Gallenblasen pro Tag, manchmal fünf bis sechs. Pro Jahr sind es 800. "Wir sind in der Region das größte Krankenhaus und operieren notfallmäßig an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr", sagt der Chefarzt. Jede Operation wird durch einen der 20 Fachärzte für Viszeralchirurgie (Bauchchirurgie) oder unter dessen Aufsicht durchgeführt. "Wir haben viel Erfahrung. Jeder unserer Fachärzte hat mindestens 300 Gallenblasen-OPs gemacht", sagt Stein. "Wir sind gut, weil wir viel Übung haben. Als Chirurg braucht man Training, Training, Training."
Ist eine Gallenblasen-Operation ein ungefährlicher Routine-Eingriff?
"Nein, so etwas gibt es nicht. Jede Operation kann gefährlich werden, muss einen guten Grund haben und dazu führen, dass der Patient sich hinterher besser fühlt", sagt Hubert Stein. Im Normalfall ist der Eingriff nicht kompliziert. Gefährlich wird er dann, wenn die Anatomie des Patienten vom Lehrbuch abweicht, was gar nicht so selten vorkommt.
Manchmal verläuft der Gallengang anders oder die Gallenblase ist tief in die Leber eingewachsen und muss vorsichtig herausgeschält werden. "Unsere größte Sorge als Chirurgen ist, dass wir den Gallengang verletzen. Der muss erhalten bleiben, damit die Galle abfließen kann", sagt Stein. Verletzt der Operateur den Gallengang, dann wird aus einer vermeintlich einfachen OP ein hochkomplizierter Eingriff, bei dem sofort der erfahrenste Facharzt übernehmen und den Gallengang wiederherstellen muss.
Wie schnell sind Patienten nach der Operation wieder fit?
Im Regelfall dürfen sie nach zwei Tagen nach Hause. "Ich empfehle aber allen, sich noch eine Woche zu schonen", sagt Stein.
Stimmt es, dass viele Patienten ihre Gallensteine mit nach Hause nehmen möchten?
"Ja, die meisten. Viele lassen sie in Acryl gießen oder sich eine Kette daraus machen", sagt Chefarzt Stein. Wenn Patienten vor der OP bereits äußern, dass sie ihre "Trophäen" haben möchten, öffnet die OP-Schwester die entnommene Gallenblase, bevor sie zum Pathologen geschickt wird, holt die Steine heraus, säubert sie und gibt sie dem frisch Operierten mit.
Gibt es alternative OP-Verfahren?
Seit zehn bis 15 Jahren versuchen Operateure, mit noch weniger und kleineren Schnitten auszukommen. "Das machen wir gelegentlich, wenn der Patientenwunsch sehr groß ist", sagt Stein und fügt hinzu: "Aber wir machen nicht alles mit, was neu ist und gewünscht wird." Die derzeitige Standard-Methode sei extrem sicher, minimal invasiv und hinterlasse kaum Narben und keine Nebenwirkungen.